Eine schrecklich nette Familie

Liebesfarce, Gruselfilm, Culture-Clash-Komödie– „Dark Shadows” will alles sein, ist aber nichts richtig. Dafür sorgt Johnny Depp für Lacher
von  Florian Koch

Zwei Jahrhunderte war Barnabas hoffnungslos in einem Sarg eingeschlossen. Und dann begegnet er bei seiner unfreiwilligen Ausgrabung ausgerechnet dem Leibhaftigen – oder wen er dafür hält. Denn auch wenn sich der verfluchte Vampir gerade am Blut von Bauarbeitern gestärkt hat, ist er noch nicht auf der Höhe der Zeit: Das gelb leuchtende „M”, mit dem er die Ankunft von „Mephistopheles” assoziiert, ist nur das McDonalds-Logo.

Keine Frage, Tim Burtons Schauer-Komödie „Dark Shadows” lebt vom Zusammenprall zweier Lebenswelten. Nur ist es ein Jammer, dass diese bewussten Stilbrüche in einzelnen Szenen blendend funktionieren, für den Filmfluss am Ende aber sogar störend wirken. Der mutige, bis chaotische Wechsel im Tonfall nimmt bereits im Prolog seinen unheilvollen Anfang. Da erzählt Burton ganz ernsthaft im fantastisch-nebligen „Sleepy Hollow”-Stil wie der britische Collins-Clan Mitte des 18. Jahrhunderts ein Fischerei-Imperium aufzieht.

Den kapitalistischen Familienerfolg verhindert ausgerechnet Barnabas (Johnny Depp), der ohne Skrupel das Dienstmädchen Angelique (Eva Green) verführt – nur stellt sich die hoffnungslos Verliebte als hemmungslose Hexe heraus. Sie tötet seine Eltern und verwandelt Barnabas in einen Vampir. Als trockengelegter Blutsauger muss er 200 Jahre im Sarg verharren, aber vielleicht wäre der blasse Bubikopf lieber in der Kiste geblieben, wenn er wüsste, was aus seiner Familie und der heißen Hexe geworden ist.

Depp, im späten Michael Jackson-Look, spielt diesen antiquierten Aristokraten würdevoll, mit einem wunderbarem Ernst und einer herrlich gedrechselten Sprache. Wenn er Alice Cooper für ein „hässliches Frauenzimmer” hält, dann hat er die Lacher auf seiner Seite. Damit hört der Spaß aber auch auf.

Unerklärlich bleibt, warum Burton den Sprung in die 70er zuerst aus der Sicht der zarten Collins-Clan-Bewunderin Josette (Bella Heathcote) erzählt, nur um ihre Figur beim Auftauchen von Barnabas wieder fallen zu lassen. Auch bleiben die restlichen Familienmitglieder konturlos – trotz Klasseschauspieler wie Michelle Pfeifer und Chloë Moretz. Und Burton fehlt leider auch ein eiskaltes Händchen für einen guten Schluss für seine entspannt-ereignislose Familien-Soap à la „Die Addams Family”. Hier gilt wieder das mindestens 200 Jahre alte Sprichwort: Weniger ist manchmal mehr.

Kino: Atelier, Cinema , Lichtspiele (alle OV), Cinemaxx, Gabriel, Leopold, Mathäser, Rio, Royal
R: Tim Burton (USA, 113 Min.)

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