Eine Reise ins Unbekannte

Am Sonntag kommt in der Bayerischen Staatsoper ein Doppelabend aus Maurice Ravels „L’enfant et les sortilèges” und Alexander Zemlinskys „Der Zwerg” in Grzegorz Jarzynas Inszenierung heraus
von  Robert Braunmüller

Vor 30 Jahren begann von Hamburg aus die Wiederentdeckung der Opern von Alexander Zemlinsky und Franz Schreker. Die Opernintendanten unserer schönen Stadt duldeten jedoch noch nie einen Gott neben Richard Strauss.

Auch diesmal wäre es fast schief gegangen: Der Regisseur Grzegorz Jarzyna wollte eigentlich „L’enfant et les sortilèges” von Maurice Ravel als postmodernes Wahrnehmungs-Experiment nach der Pause in einer zweiten Inszenierung noch einmal zeigen. Aber Nikolaus Bachler überzeugte ihn, diese Kurzoper durch Zemlinskys „Der Zwerg” zu ergänzen.

Beide Stücke passen gut zusammen und bilden dennoch einen Gegensatz. Bei Ravel sagt der deutsche Titel ,Das Kind und der Zauberspuk’ bereits alles über die Geschichte: Zerstörte Spielsachen bessern ein zorniges Mädchen. „Zemlinskys Oper ist dazu eine Art Fortsetzung”, sagt Jarzyna. „Sie erzählt von Ängsten und Sehnsüchten der Pubertät. Beide Geschichten handeln von der Schwierigkeit, Gefühle zu kontrollieren.”

Musikalisch sind die beiden kurz nach 1920 entstandenen Werke recht verschieden. „Mit seinem Stil-Mix könnte Ravels Oper auch aus der Postmoderne stammen”, meint der Regisseur. „Zemlinsky kommt stärker auf den Punkt. Seine Musik ist einerseits üppig wie Mahler, aber schwieriger zu lieben, weil die Melodien abbrechen. Es sind Klänge des Leidens.”

Auf der Akademie des Papstes

Zemlinsky vertonte eine Erzählung von Oscar Wilde: Eine Prinzessin erhält einen Zwerg zum Geschenk, der von seiner Hässlichkeit nichts weiß und sich tragisch in sie verliebt. „Ich sehe ihn als einen normalen, sensiblen Mann”, erzählt Jarzyna. „Er ist geradeheraus mit seinen Gefühlen, scheitert aber an der Prinzessin und ihrem Ehrgefühl.”

Bei „L’enfant et les sortilèges” hat er einen Berufskollegen als stumme Rolle hinzugefügt. „Er ist kein Selbstporträt, obwohl es ihm ähnlich wie mir ergeht: Er versucht die Kontrolle zu behalten, obwohl ihn die Musik in sich hineinzieht. Mir geht es ähnlich: In der konkreten Arbeit zwingen mich die Sänger, ihre Gefühle und der Klang ständig, mein Konzept zu ändern.”

Jarzynas Biografie verlief auch nicht nach Plan: Weil in Krakau Regie erst als Zweitstudium möglich war, besuchte er die Päpstliche Theologische Akademie: „Das dortige Beharren auf den Dogmen und der Macht der Kirche hat mich von ihr entfremdet”, der Jarzyna, der seit 1998 mit dem durch „Eugen Onegin” bekannten Regisseur Krzysztof Warlikowski das Warschauer Teatr Rozmaitosci leitet. Dort entstand auch Jarzynas erstes Musiktheater, eine Montage aus Mozarts „Don Giovanni” und dem „Don Juan” von Molière. Derzeit lernt er Deutsch, weil er das Vertrauen in Opernübersetzungen verloren hat. Dem Musiktheater will er sich nicht dauerhaft verschreiben: „Ich verstehe das vorläufig als Reise ins Unbekannte.”

Robert Braunmüller

Wieder am 3., 6., 13., 20. 3. Karten: Tel. 21 85 19 20

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