Eine höllische Aufgabe
Martin Kušej über den ersten Monat als Residenztheater-Intendant, die Münchner Premiere seiner Inszenierung des „Weibteufels“ und das Genie des Regie-Berserkers Frank Castorf
Eine Teilstrecke hat Martin Kusej, Marathonmann dieser Theater-Spielzeit, schon hinter sich gebracht: Neun Premieren konnte man seit Anfang Oktober im Residenztheater unter seiner Intendanz sehen, 18 weitere sollen folgen. Morgen wird „Der Weibsteufel“ im Resi gezeigt, Kusejs Ausgrabung eines Volksstücks von Karl Schönherr aus dem Jahr 1914. Eine böse Mär über eine Frau, die von ihrem Ehemann, einen Schmuggler, und einem Jäger umworben wird. Birgit Minichmayr ist der Weibsteufel, Nicolas Ofczarek und Werner Wölbern sind die Männer im Spiel.
AZ: Herr Kušej, nach dem Einstiegsmarathon zu Beginn – fühlen Sie sich erleichtert?
Das hätte ich mir gewünscht, aber ich muss ehrlich sagen, der ganz normale Theateralltag ist so intensiv, dass ich überhaupt keine Erleichterung spüre. Ich sage mir zwar, wow, wir haben das jetzt geschafft. Aber es folgte sofort so eine Welle von Terminen, Jour fixen und Leitungsbesprechungen, dass ich noch nicht mal richtig Zeit hatte, mich zu Freude.
War das der Saison-Start, den Sie sich erhofft haben?
An und für sich ja. Wobei ich mich an keine Intendanz erinnern kann, bei der man zu Beginn das Gefühl gehabt hätte, hier ist jetzt der Messias gelandet, der das Paradies bringt. Dafür ist Theater einfach viel zu wenig berechenbar. Insgesamt bin ich wahnsinnig stolz und glücklich, dass das Theater super angenommen wurde und finde es gut, dass auch gehörige Irritationen herrschen.
Die Erwartung war, dass ein großer Theaterzauber kommt. Der hat sich nicht unbedingt eingestellt.
Ich habe das aber auch gar nicht erwartet. Zu meiner Inszenierung von „Das weite Land“ kann ich sagen, dass sie genau an dem Punkt war, wie ich mir das gedacht habe. Ich wollte bewusst nicht die Erwartungshaltung erfüllen, dass jetzt Schnitzler zertrümmert wird, sondern wollte genau das machen, was ich mit meiner Kraft und Kreativität aus dem Stück heraushole.
War das auch der Versuch, dass bisherige Publikum nicht vor den Kopf zu stoßen?
Überhaupt nicht. Ich will niemanden vergraulen, ich will aber auch niemandem einen Kuschelkurs anbieten. Es soll das Theater werden, wie wir uns das vorstellen.
Bei manchen Inszenierungen wie „Halali“ oder „Eyjafjallajökull-Tam-Tam“ hat man das Gefühl, da kann man noch nachkalibrieren. Wird es Veränderungen geben?
Bei „Eyjafjallajökull-Tam-Tam“ auf jeden Fall. Das ist ja ein absolutes Werkstattprojekt, dessen Reiz gerade darin liegt, dass es in einem anarchistischen, ungeordneten Rahmen abläuft. Ich musste mich da selber mit Veränderungsvorschlägen zurückhalten, aber irgendwann dachte ich mir, das ist jetzt falsch, weil ich der Sache einen Reiz nehme, wenn ich versuche, Ordnung hineinzubringen. Bei „Halali“ sehe ich keinen Grund, noch etwas zu verändern. Man muss als Intendant auch lernen, die Sachen sich entwickeln zu lassen, auch wenn man nicht gleicher Meinung ist. Da schätze ich die künstlerische Freiheit des Regisseurs sehr hoch ein, weil ich sie auch für mich so anlegen würde.
Welche Erkenntnisse haben Sie insgesamt gewonnen in dieser ersten Zeit als Intendant?
Die Haupterkenntnis ist, dass ich sehr forsch an die Geschichte herangegangen bin. Wir haben wahnsinnig Gas gegeben, was sowohl das Haus, als auch das Publikum enorm gefordert hat. Ich kann mir vorstellen, dass man bei neun Premieren in vier Wochen irgendwann aufhört zu sagen, ich schaue mir das nächste auch noch an. Wir müssen aber rasend schnell ein Repertoire aufbauen. Daher kommt diese erhöhte Schlagzahl.
Mit dem „Weibsteufel“ übernehmen Sie nun eine eigene Inszenierung fürs Burgtheater, für die Sie, Ihr Bühnenbildner und Birgit Minichmayr 2009 mit dem Nestroy-Preis ausgezeichnet wurden.
Das ist wirklich ein Theaterwunder, ganz ehrlich, das hätte ich selbst damals nicht erwartet. Bei dieser Inszenierung ist etwas passiert, was wirklich ganz selten eintritt. Man spürt das auch an der Atmosphäre im Zuschauerraum.
Macht die Chemie zwischen Birgit Minichmayr und Nicolas Ofczarek diese Magie aus?
In diesem Fall die Chemie zwischen allen drei Schauspielern. Werner Wölbern hat eine norddeutschen Strukturiertheit in seinem Spiel, die anderen beiden muss man eher zügeln. Genau das Gegenteil zu dem also, was jetzt Castorf mit ihnen in „Kasimir und Karoline“ gemacht hat.
Es gab die Auseinandersetzung mit dem Direktor des Burgtheaters, Matthias Hartmann, dass Sie Birgit Minichmayr der Burg weggenommen haben. Minichmayr selbst bezeichnetete sich in den Medien als Weibsteufel, der von zwei Intendanten umworben wird. Sind die Wogen geglättet?
Ich werde damit ausschließlich in den Medien konfrontiert, aber interessiert hat mich hat das von jeher überhaupt nicht. Es gibt keine Wogen, und die Wogen in Wien interessieren mich nicht. Es ist alles genauso, wie es in den Verträgen der Schauspieler steht. Aber das ist auch alles Schnee von gestern.
Es war immerhin zu lesen, dass Sie in Wien nicht mehr inszenieren wollen.
Das hat aber mit einer Perspektivlosigkeit zu tun, was mich und Österreich betrifft. Ich habe überall inszeniert, das ist für mich abgefrühstückt. Ich will mich jetzt komplett auf mein Haus konzentrieren.
Sie haben schon zu Beginn ihrer Karriere ein Stück von Karl Schönherr, „Es“, inszeniert. Was interessiert Sie gerade an diesem Autor?
Schönherrs Ideologie ist für mich eher ablehnungswürdig. Aber man kann seine chauvinistisch-patriotische Stoßrichtung umdrehen und genau das Gegenteil behaupten. Beim „Weibsteufel“ kann man zum Beispiel nicht die Angst vor einer starken Frau zeigen, die alle Männer kaputt macht, sondern von der Emanzipation einer Frau aus einer kaputt machenden Männerwelt erzählen.
Diese Figur wird wohl mit Birgit Minichmayr noch mehr in diese Richtung gewachsen sein.
Auf jeden Fall. Wobei das bei Birgit Minichmayr immer sehr professionelle, intensive Arbeit ist. Man hat eine Konzeption und es wächst daraus überproportional die Inszenierung, was auch mit der Aura zu tun hat, die eine Frau Minichmayr mitbringt. Die habe ich nicht. Ich wollte ja ursprünglich mit 18 Schauspieler werden und bin Regisseur geworden, weil ich dachte, wenn ich mal im Theater drin bin, kann ich sicher auch spielen. Heute weiß ich definitiv, dass ich kein Schauspieler bin.
Aber ein Regisseur, der bekannt für seine Präzision ist. Sind Sie ein Gegenentwurf zu dem Chaos-Entfacher Castorf?
Nein, nein, Castorf ist äußerst konkret in dem, was er sich vorstellt. Alles, was man an völliger Ungezügeltheit erlebt, ist im Grunde ein kalkuliertes System, dass allerdings grenzgängerisch mit den Konventionen und Gefühlslagen sowohl der Protagonisten als auch der Zuschauer spielt. Da habe ich gerne auch meine Probleme damit und sage, hör mal, der singt jetzt am Schluss von „Kasimir und Karoline“ die 38. Strophe von den Moorsoldaten. Kann man da nicht aufhören, weil der Abend eh schon vier Stunden dauert? Da meint er: „Weeste, genau da fängt‘s erst an, mich zu interessieren.“ Da kann man auch als Intendant dem Herrn Castorf einfach nicht widersprechen.
Premiere morgen, Sa, 20 Uhr, Residenztheater, Restkarten für Sonntag, Telefon 2185 1940
- Themen:
- Residenztheater