Eine Frau, die weiß, was sie singt

Im ausverkauften Herkulessaal sorgt eine Diana Damrau in Bestform für einen großartigen Arienabend
von  Abendzeitung

Im ausverkauften Herkulessaal sorgt eine Diana Damrau in Bestform für einen großartigen Arienabend

Wenn Tosca zu ihrem Repertoire gehören würde, wäre sie wahrscheinlich aus dem Fenster gesprungen. Zur Wahnsinnsszene aus Ambroise Thomas „Hamlet“ irrte Diana Damrau durchs Orchester, spielte mit dem Dirigenten, rollte mit den Augen und fuchtelte mit Grünzeug.

Der Versuch, die leicht muffigen Rituale eines Arienabends zu beleben, ist aller Ehren wert. Aber wer die schwermütige Verwirrung von Shakespeares Figur mit der technischen Virtuosität einer Joan Sutherland und der Ausdrucksgewalt von Maria Callas verkörpert, könnte solche Faxen schwächeren Kolleginnen überlassen.

Die Damrau hat dergleichen nicht nötig: Sie singt derzeit in absoluter Hochform. Wann hat es in den letzten Jahren oder Jahrzehnten eine deutsche Sängerin gegeben, die italienische oder französische Partien international konkurrenzfähig verkörperte und zugleich dem frechen Humor der Frau Fluth aus Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ gewachsen war? Das brachte nicht einmal Editá Gruberova fertig. Im Unterschied zur großen Kollegin ist die Damrau keine typische Virtuosin, sondern eine Vollblut-Komödiantin. Koloratur bedeutet bei ihr nicht nur zu zwitschern, sondern im exakten Wortsinn zu verzieren und zu färben. Sie verlieh Ophelia, Rosina, Linda und Gilda ein individuelles musikalisches Gesicht. Im Walzerlied der Juliette aus Gounods Oper überging sie einmal nicht den nachdenklichen Mittelteil: Als große Liedinterpretin achtet sie auch auf den Text. Sie weiß, was sie singt.

Als verlässliche Partner erwiesen sich das Münchner Rundfunkorchester und Dirigent Dan Ettinger, ein Assistent von Daniel Barenboim. Er könnte auch sein Sohn sein, so gleicht er ihm, mit dem modischen Rock, den rudernden Armbewegungen und der Liebe zum offenen Forte. Und wie beim Meister ist das Ohr für den eigenen Ton französischer und italienischer Musik nur schwach entwickelt Vielleicht bringt es ihm die Damrau noch bei. Der Herkulessaal war ausverkauft, sogar auf den Stehplätzen drängten sich die Fans. Die Sängerin freute sich über die Ovationen und Blumen mit dem unprimadonnenhaften Charme des Mädchens von nebenan. Das macht sie, von ihrer Kunst abgesehen, so einmalig. Und sie bleibt uns erhalten: Auf ihre Zerbinetta bei den Opernfestspielen 2008 folgt dem Vernehmen nach „Hoffmanns Erzählungen“ mit der Damrau in den drei großen Frauen-Rollen. Robert Braunmüller

Bei Orfeo erschien zuletzt die CD „Lieder“ mit Werken der Romantik

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