Eine Aura von zerbrechlicher Schönheit
Das Quatuor Ébène begeisterte den restlos ausverkauften Herkulessaal
Die Neugier auf Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ wurde nicht enttäuscht: So ergreifend und existentiell spielt die Variationen über die Verto-nung des Matthias-Claudius-Gedichts heute kaum ein Quartett. Wer kann das Thema derart schlicht und trostvoll zugleich musizieren, wer entdeckt sublimierte Schrammelmusik in der vierten Variation oder wagt am Ende in den Mittelstimmen einen vibratolos gläsernen Klang wie das Quatuor Ébène?
Eine Aura von zerbrechlicher, gefährdeter Schönheit wehte am Anfang um die erste Geige, Pierre Colombet. Wie aus einer anderen Welt tönte später dank Raphaël Merlin die selbstvergessene Cello-Kantilene herein. Großartig, wie die Ébènes am Rande des Verstummens spielen, fahle Akkorde in den Raum stellen oder die komponierte Katastrophe kurz vor Ende zum Weltuntergang steigern.
Keck in den Applaus gespielt
Man spürt, wie glücklich die vier mit ihren alten italienischen Instrumenten sind, die ihnen erst kürzlich die Forberg-Schneider-Stiftung zur Verfügung stellte. So treiben sie keck den ersten Akkord von Haydns op. 74/1 in den Applaus hinein; und musizieren mit Verve und unbändiger Lust am Kontrast zwischen launiger Derbheit und zartem Dahinschmelzen, bewusster Behäbigkeit und wildem Galoppieren. Am Ende wird ohne Rücksicht auf Schönklang Haydns Witz zum überbordenden Ereignis.
Dagen nimmt sich Gabriel Faurés spätes e-moll-Quartett wie ein milder Glanz im Abendlicht aus: der diffizil entfaltete Gegensatz zu Haydn und Schubert, dem Astor Piazzollas „Libertango“ in fantastisch geschärfter Version folgte.
Klaus Josef Mosmann
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