Eine Analyse der Weihnachtsgrüße: Advent, die E-mail brennt!
Weihnachtspost ist Last, Lust, oft Kitsch und manchmal auch daneben. Doch was sagen die Grußkarten über den Absender aus?
Weihnachtsgrüße zu den Festtagen sind für viele ein Muss. Ob elektronisch, animiert oder klassisch auf Papier, die Vielfalt ist groß. Doch sagt eine Email oder SMS das gleiche aus, wie eine liebevoll ausgesuchte Karte? „Keinesfalls!“, sagt Stefan Tilch, Einkaufsleiter bei Ludwig Beck. „Das ist nur bei einem Aufenthalt im Dschungel gestattet.“ Etwa 40000 Weihnachtskarten verkauft das Kaufhaus im Jahr – Tendenz steigend. Doch auch SMS werden immer beliebter. Jeder zweite Deutsche schickt im Durchschnitt zwei am Tag – sie spart Kosten und Zeit. Zeit wollte auch der Brite Henry Cole beim Weihnachtsbriefe schreiben einsparen und beauftragte 1843 einen Illustrator, ihm eine Karte mit dem Text: „Merry Christmas and a Happy New Year to You“ zu kreieren – die Geburtsstunde der Weihnachtskarte. Was sie ausdrückt – die AZ hat sich ein paar Beispiele angeschaut - klicken Sie sich durch die Bilderstrecke...
Liebste Grüße vom Eigenheim-Verein
Wie Firmen, Verbände und Politiker mit Karten ihr Image pflegen
Von Arno Makowsky
Besinnlich. Immer wieder: besinnlich. Kein Zweifel, besinnlich ist das Lieblingswort deutscher Unternehmen, Verbände, Parteien und ihrer Werbedichter in den Agenturen. Ein „besinnliches Weihnachtsfest“ wünscht mir beispielsweise Wirtschaftsminister Martin Zeil, die Pressesprecherin der Schörghuber-Gruppe sowie die Mercedes-Benz-Niederlassung.
Wie schön! Aber kann das wirklich alles sein? Nein, auf den Weihnachtskarten feiern wir das Fest der Adjektive und Wohlfühl-Substantive!
„Triumph International“ schreibt: „Gesegnete und erholsame Feiertage, einen guten Start ins neue Jahr mit viel Glück, Gesundheit und großem Erfolg“. Die Weihnachtskarte als Kommunikationsinstrument: Mit allerlei sprachlichen Finessen versuchen Firmen und Politiker, ihr Image zu betonen. Bei dynamischen Unternehmen fehlt in der Adjektiv-Parade niemals ein „erfolgreich“, während das Wünschen bei Kirchenleuten oder sozialen Einrichtungen meist ins Gefühlige lappt. Man bedankt sich „von ganzem Herzen“, es wimmelt von Begriffen wie friedvoll, gesegnet, glücklich. Unterzeichnet mit „herzlichsten“ oder gar „liebsten“ Grüßen – von Leuten, die ich noch nie gesehen habe.
Ein weiterer, immer gerne genommener Begriff: „...in unserer schnelllebigen Zeit“. Karten, die so beginnen, gehen oft ins Grundsätzliche, räsonieren mit tiefen Gedanken über das abgelaufene Jahr. So wie der Eigenheimverband Bayern e. V.: „Man hat kaum Zeit, sich bewusst zu werden, wie schnell es vorübergegangen ist.“ Und weiter: „In dieser nicht ganz leichten Zeit wissen wir gute Partnerschaften besonders zu schätzen.“ Ach, es ist schön, gute Freunde beim Eigenheimverband zu haben.
Noch tiefer in die Welt des Kurz-Innehaltens-und-sich-Besinnens steigen Absender ein, die ihren Karten ein Motto voranstellen. So wie das Luxushotel Mandarin Oriental: „Das Wunderbare an den Wundern ist, dass sie manchmal wirklich geschehen.“ Womöglich auf der schicken Dachterrasse des Hotels, wer weiß.
Ganz anders hingegen die Fraktion der Nüchternen. Sehr nachrichtlich die Agentur dapd: „Frohes Fest!“ Der Verkaufsleiter von dpa wünscht „noch ganz schnell“ fröhliche Weihnachten. Werbeleiter und PR-Menschen freuen sich grundsätzlich auf eine „kreative Zusammenarbeit“. Sehr aussagekräftig ist auch eine Weihnachtskarte, auf der ein Schoko-Osterhase im grünen Gras sitzt – im Inneren dann der Schriftzug: „Zu früh? Typisch Grün!“ Erwünschte Aussage: Der Absender ist witzig und enorm originell. Die Karte hat Claudia Roth verschickt – „von ganzem Herzen“, versteht sich. Bei solchen Ideen wird einem doch ganz besinnlich ums Herz.