Ein volles Haus inspirierte ihn zum Höchsten

Betroffenheit im Gärtnerplatztheater nach dem Tod des Musikchefs David Stahl
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Betroffenheit im Gärtnerplatztheater nach dem Tod des Musikchefs David Stahl

Tragik liegt im viel zu frühen Tod von David Stahl und dem seiner liebenswerten Frau, die vor einem Monat starb“, sagt der ehemalige Gärtnerplatz-Intendant Klaus Schultz. „Dies berührt mich persönlich am tiefsten. München verliert einen herausragenden inspirierenden Dirigenten, dem wir viele unvergessliche Opern- und Konzertabende verdanken.“

Schultz holte den Nachkommen deutscher Einwanderer 1996 als Ersten Gastdirigenten an sein Haus. Drei Jahre später wurde er Chefdirigent. „David Stahl bewegte mit seiner persönlichen Energie vor allem die musikalische Entwicklung des Orchesters, eine der Herzkammern des Gärtnerplatztheaters, dem er stets auf beste Weise diente“, erinnert sich der Intendant. „Ich danke meinem Wegbegleiter für elf künstlerisch wertvolle Jahre.“

Ansteckender Optimismus

Bayerns Kunstminister Wolfgang Heubisch bezeichnete den Verlust ebenfalls als „Tragödie“. Er sei ein „leidenschaftlicher Dirigent und ein bemerkenswerter Mensch“ gewesen. „Mit seinem ansteckenden Optimismus hat er das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz zu einem Spitzenorchester geformt.“

Der am Sonntag nachmittag in Charleston (South Carolina) an Lymphdrüsenkrebs verstorbene Stahl hat die Musiker des Hauses entscheidend vorangebracht. Das Orchester wird viel stärker wahrgenommen und hat an Klangkultur gewonnen. Gemeinsam mit Schultz hat der Dirgent eine Aufwertung zur Vergütungsklasse A erreicht. Das klingt bürokratisch, ist aber für die Gewinnung von Nachwuchs angesichts der Konkurrenz in München entscheidend. „Wir haben nicht nur einen Chefdirigenten verloren, sondern einen Freund“, sagt der Cellist Franz Lichtenstern. „Stahl war den Musikern immer auch persönlich nah und hat Kollegen im Krankenhaus besucht.“

Zuletzt hörte er "Tannhäuser" und die "Matthäuspassion"

Die Sopranistin Sandra Moon hat unter Stahls musikalischer Leitung Rollen wie Mozarts „Figaro“-Gräfin und Puccinis Butterfly gesungen. „Bei Proben hat er nie viel gesprochen“, erinnert sich die Amerikanerin. „Aber Stahl konnte einem in der Vorstellung genau zeigen, was er wollte. Wir sind dabei aufgeblüht, es war wie Magie.“ Ähnlich beschreibt es auch der Geiger Albert Ginthör: „Stahl hat aus dem Bauch heraus dirigiert. Ein volles und begeistertes Haus inspirierte ihn zu Höchstleistungen. Er war ein hervorragender Dirigent für Puccinis ,Madame Butterfly’. Spröde Musik wie Brittens ,Death in Venice’ hat er emotional verstanden und den Orchesterklang mit Gefühl aufgeladen.“

Geboren wurde Stahl 1949 in New York. Mit 23 Jahren debütierte er als Dirigent in der Carnegie Hall. Bei einem Meisterkurs in Tanglewood wurde Leonard Bernstein auf ihn aufmerksam, dessen Musicals „West Side Story“ und „Candide“ (mit Loriot als Erzähler) er unnachahmlich zu interpretieren wusste. In Deutschland erregte Stahl 1994 mit Wagners „Tristan“ in Mannheim Aufsehen. Sein Standbein hatte der Dirigent aber in den Südstaaten der USA: 25 Jahre lang leitete er das Symphonieorchester von Charleston, wo Stahl im Vorort Hollywood ein Haus besaß.

Sandra Moon hat auch in South Carolina mit Stahl zusammengearbeitet, unter anderem bei Beethovens „Missa Solemnis“. „Ich war auch bei seiner Familie eingeladen“, erzählt sie. „Stahls Frau Karen hat wunderbar nach Südstaaten-Rezepten gekocht, und ihre Tochter hat mit meiner im Garten gespielt.“

Stahls letzter Auftritt war am 25. Juli vor über 10000 Zuschauern auf dem Gärtnerplatz. Danach reiste er sofort zu seiner ebenfalls krebskranken Frau Karen (52) zurück, nicht ahnend, dass er nie wieder zurückkehren würde.

Stahl und seine Frau hinterlassen zwei Kinder. Die 16-jährige Anna geht laut der Charlestoner Zeitung „The Post and Courier“ auf die High School, Sohn Byron (20) besucht das College. Stahl hatte noch eine weitere Tochter aus erster Ehe. Laut diesem Nachruf unterzog sich der Dirigent zuletzt einer Chemotheraphie. Er habe keine Zeit zu trauern, soll er nach dem Tod seiner Frau gesagt haben, weil er sich zum Wohl beider Kinder auf seinen Körper konzentrieren müsse.

Im Krankenhaus, so die Zeitung, hörte Stahl „Tannhäuser“ und „Matthäuspassion“. Er sei voller Hoffnung gewesen. Um ihn zu trösten, spielten noch am 23. Oktober Musiker aus Charleston auf der Terrasse seines Hauses, unter anderem Werke seines Lieblingskomponisten Gustav Mahler.

Robert Braunmüller

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