Ein unbekanntes Hormon freigesetzt

Zuletzt war die Sopranistin in München als Elektra in Mozarts „Idomeneo“ zu hören. Am Sonntag ist sie die Donna Anna im neuen „Don Giovanni“, den Claus Guth im Haus für Mozart inszeniert.
von  Abendzeitung

Zuletzt war die Sopranistin in München als Elektra in Mozarts „Idomeneo“ zu hören. Am Sonntag ist sie die Donna Anna im neuen „Don Giovanni“, den Claus Guth im Haus für Mozart inszeniert.

Voriges Jahr raste Annette Dasch in Haydns „Armida“ durch die Felsenreitschule. Zuletzt war die Sopranistin in München als Elektra in Mozarts „Idomeneo“ zu hören. Am Sonntag ist sie die Donna Anna im neuen „Don Giovanni“, den Claus Guth im Haus für Mozart inszeniert.

AZ: Frau Dasch, was reizt Sie an den Rokoko-Furien?

ANNETTE DASCH: Ihre Wut kommt aus der Verletzlichkeit. Im „Idomeneo“ fühlte ich mich von der Kritik etwas missverstanden. Mir war Elettras verzweifelte Liebe wichtiger als das Rasen. Aber das haben nicht alle gesehen.

Ihr exaltierter Auftritt mit den Koffern wirkte komisch.

Dieter Dorn und ich dachten dabei an Malvolios gelbe Strümpfe in Shakespeares „Was ihr wollt“. Elettra glaubt, ihr sei das Unglaubliche widerfahren: Sie fühlt sich von Idamante geliebt. Es sollte eine Fallhöhe für die Figur entstehen. Manche Zuschauer bewegte das tief. Die Szene ist nicht ohne Risiko – aber das wollte ich eingehen.

Singen Sie die Donna Anna im „Don Giovanni“ anders, weil Sie auch schon Elvira waren?

Ich habe sofort eine Haltung zu ihr, wenn sie aufkreuzt. Man muss versuchen, eine Haltung gegenüber diesen Mädchen zu finden. Ich lasse sie durch mich fließen und schaue, was sie mit mir machen. Eigentlich hätte ich auch Lust auf die Zerlina, aber ich sehe nicht so aus, wie es dem Klischee der Figur entspricht.

Was passiert eigentlich zwischen Giovanni und Anna?

Dass er ihren Vater umgebracht hat, finde ich weniger entscheidend. Don Giovanni hat ein Hormon in ihr freigesetzt, das sie zuvor nicht kannte. Ihre Leidenschaft brodelt unter der Oberfläche. Sie merkt aber, dass sie seiner nicht habhaft werden kann. Weil Anna ihn nicht bekommen kann, will sie ihn vernichten – fast wie bei Salome.

Wird Anna mit Ottavio glücklich?

Ich mag es nicht, wenn diese Beziehung schlecht gemacht wird. Eine Ehe mit Don Giovanni wäre nicht möglich. Wir alle heiraten eher Ottavios, und das ist völlig in Ordnung.

Sie haben einen Kunst-Salon in Berlin. Was passiert da?

Ich möchte Lust auf Kunstlieder machen: Sie können soviel erzählen und unbekannte Saiten in uns zum Schwingen bringen. Drumherum gibt es Gespräche, es wird auch gemeinsam gesungen. Das alles passiert im Radialsystem, einem alten Elektrizitätswerk an der Spree, wo auch die Choreografin Sasha Waltz und die Akademie für Neue Musik neue Formate ausprobieren.

Sie haben in München studiert.

Das war zwischen 1996 bis 2001. Das Abschlussdiplom habe ich nicht mehr bekommen, weil mir irgendeine Klavierprüfung fehlte.

Waren Sie oft in der Oper?

Damals war es für uns Studenten nicht leicht, an Karten zu kommen. Ich habe versucht, mich über die Kantine ins Nationaltheater einzuschleichen, wurde aber öfter erschwischt und nach draußen befördert. Wenn ich heute durch die Gänge gehe, habe ich immer noch ein wenig Angst.

Robert Braunmüller

Premiere am Sonntag, 26. Juli. Am gleichen Abend ist Annette Daschs Salon im ZDF-Theaterkanal um 23 Uhr zu sehen

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.