Ein Stand mit schönem Ego

Vergöttert, belächelt, gefeiert – mit einer fulminanten Ausstellung über Beruf und Berufung des Architekten verabschiedet sich Winfried Nerdinger vom Architekturmuseum der TU
Christa Sigg |
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"Komplex basiert auf einem zentralen Säulensystem mit freitragenden Stockwerken aus gehärtetem Stahl und Beton“, näselt der Architekt im geschniegelten schwarzen Anzug – und schon knickt das hübsch drapierte Hochhausmodell vor ihm zusammen. Als er dann über das Material philosophiert, mit dem er das Risiko einer Brandkatastrophe vermeiden will, schlagen plötzlich Funken. Die Präsentation endet im Desaster – und damit die letzte Großschau von Winfried Nerdinger im grandios schrägen Humor eines Monty Python-Sketchss.

Das kann sich der scheidende Direktor des Architekturmuseums locker leisten, 37 Jahre hat er seine Sammlung mit heiligem Ernst gepflegt, längst genießt sie höchstes internationales Ansehen. Dass Nerdinger diese Ära mit einer Ausstellung über den eigenen, zuerst gelernten Beruf des Architekten beschließt, führt ihn nicht nur zu den Grundlagen seiner nie in verschwurbelte Theorien entschwebten Forschung, sondern zu einer wunderbar selbstreflexiven, kritischen Betrachtung des Metiers.

Gebieterisch sitzt gleich am Eingang Bekenchon, der Chefbaumeister Ramses II., und kündet vom Selbstbewusstsein dieser Zunft. Das Prestige mag sich im Laufe der Jahrtausende immer wieder verändert haben, doch das Ego der Architekten war nie gering. Da kann Johann Michael Fischer im barocken Deckenfresko des Wiblinger Kapitelsaals noch so demütig knien – freilich in Reichweite zur zentral dargestellten Kreuzreliquie. Man positionierte sich gerne bei den Mächtigen, was bekanntlich auch zu unheilvollen Alliancen führte. Selbst im Mittelalter stand der Baumeister, gleichwohl noch Handwerker, zu gerne direkt hinterm König. Und schon da beklagt der Dominikanermönch Nicolas de Biard, dass die Baumeister Handschuhe tragen, Anweisungen geben, selbst nichts arbeiten und trotzdem den höchsten Lohn einstecken.

Amüsant liest sich die messerscharfe Beobachtung aus dem 13. Jahrhundert. Man denkt an aktuelle Superstars wie Foster und Gehry, die vor allem damit beschäftigt sind, ihre sagenhaft teure Ware an potente Kunden zu bringen, während ein Heer von Mitarbeitern die eigentliche Arbeit verrichtet. Auch das wird thematisiert, genauso wie die Fortentwicklung des Berufs, der ziemlich bodenständig begann, dann künstlerische Ambitionen entfaltete und schließlich mehr und mehr in die Organisation mündet.

Doch neben der Konzentration auf Unmweltrichtlinien oder Budgetoptimierung wird immer noch munter gezeichnet und gebastelt, auch Architekten brauchen die Anschauung. Das wird hier mit reizvollen Modellen – vom Gebälk eines Zwiebelturms übers bestrumpfte Olympiadach bis zu Daniel Libeskinds Londoner „Spiral”-Entwurf – demonstriert. Wobei die Zeichnungen der Alten schon eine Klasse für sich sind, man gerät leicht ins Schwärmen vor den exquisiten Blättern eines Friedrich von Thiersch. Überhaupt klebt man dauernd fest in dieser Ausstellung, aus der man spielend fünf machen könnte. Auch die 4,2 Kilo Katalog sprechen Bände. Und könnten, fundiert und stabil wie sie sind, zur Not stützend in die Rotunde der Pinakothek eingebaut werden.

Bis 3. Februar, Katalog (Prestel) 76 Euro im Museumsshop

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