Ein Spiel mit der Ernsthaftigkeit
Nach „Schmetterling und Tauscherglocke“ hat der New Yorker Julian Schnabel „Miral“ gedreht: Der Film ist radikal und gleichzeitig kunstvoll. Es geht um den Kampf einer jungen Palästinenserin
7Ihr habt versagt! Das schreit die Jugend den Eltern entgegen! Wie sonst können jüdische Siedlungen stehen, wo Jahre zuvor noch die heimatlichen Häuser arabischer Familien standen?
Die junge Palästinenserin Miral (Freida Pinto) ist eigentlich privilegiert. Sie wächst abgeschirmt in einem gut geführten Internat auf. Aber sie kann Ungerechtigkeit nicht ertragen und gerät durch Liebe in den Umkreis junger Araber, die die Intifada auslösen.
Hautnah dran
Das klingt nach einem politisch korrekten Betroffenheitsfilm. Aber Julian Schnabel (siehe Interview, Kino-Stadt) denkt dazu zu künstlerisch, er erfindet eine eigene Bildsprache, spielt mit irritierenden Blickwinkeln und Unschärfe, so wenn sich das Bewusstsein trübt, Schmerz ablenkt, oder Menschen taumeln. Schnabel baut auch kurze Dokumentaraufnahmen ein, verschränkt Zeitebenen (von der Gründung Israels über den Sechs-Tage-Krieg bis heute) und zeigt Familienzusammenhalt, Patriarchat, aber auch orientalische Riten und Feste.
Das alles ergibt einen fast spielerischen Film, der aber keine Minute leugnet, wie ernst das Besatzungs-Thema ist, wie sich auch innerarabisch verschiedene Fronten bilden - von älteren Resignations-Pazifisten bis hin zu Selbstmordattentätern und „Verräter“-Hinrichtungen.
„Kunst ist das Gegenteil von gut gemeint“, sagte der Dichter Gottfied Benn als Warnung an politisch engagierte Kunst. Julian Schnabel hat sich richtigerweise für die (Film-)Kunst entschieden und nur manchmal es zu plakativ zu gut gemeint, vielleicht auch aus fassungsloser Wut, was bei diesem Thema nicht verwunderlich ist. Und Schnabel ist hautnah dran: „Miral“ ist die Verfilmung des halb-autobiografischen Romans „Miral – Die Straße der Blumen“ von Rula Jebreal. Sie ist seine Lebensgefährtin.
Adrian Prechtel
Kino: Eldorado, Münchner Freiheit sowie Theatiner (OmU)
R: Julian Schnabel B: Rula Jebreal nach ihrem Roman „Miral“ (F, 112 Min)
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