Ein Schritt ins Nichts
Im Juli 2008 stirbt Karl Unterkirchner beim Aufstieg zum Nanga Parbat. Seine beiden Kameraden schildern nun in dem Buch „Teufelswand“ die Wahrheit über die Expedition
Nach ihrer Rettung begrub sie eine Lawine aus Vorwürfen. Kaum ein Bergdrama hielt die Welt so in Atem wie der Versuch von Simon Kehrer, Walter Nones und Karl Unterkirchner im Juli 2008 eine neue Route durch die Rakhiot-Wand zum 8125 Meter hohen Gipfel des Nanga Parbat zu bewältigen.
Nach wochenlangen Vorbereitungen beginnen die drei am 14. Juli um 23.30 Uhr auf 4450 Metern Höhe mit ihrer neuen Route durch die Wand. 16 Stunden später, nach der Bewältigung der ersten Hauptschwierigkeiten, stürzt Unterkirchner auf gut 6300 Metern in eine vom Schnee bedeckte, 15 Meter tiefe Gletscherspalte und stirbt. Die beiden geschockten Freunde Nones und Kehrer knüpfen aus Schlingen und Reepschnüren einen Strick, können Unterkirchner aber nicht einmal bergen. Sie nehmen noch das einzige Seil der Expedition und ein Satellitentelefon aus der Gletscherspalte mit.
Da sie mit geringer Ausrüstung und im freien Alpinstil unterwegs sind, ist ihnen der Rückweg abgeschnitten. Nicht aus mangelndem Respekt vor dem Toten, sondern weil sie überleben wollen, setzen sie das Projekt fort. Sie kämpfen sich tagelang und bei extrem schlechten Wetter bis zu jenem Punkt auf über 7200 Metern hoch, wo sie die Wand verlassen und über die 1953 von Hermann Buhl begangene Route den Abstieg wagen. Tags zuvor haben Hubschrauber sie überrascht, die Nahrung und ein neues Satellitentelefon abwarfen.
Die Alpin-Szene verfolgt jeden ihrer Schritte
Was sie zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht wissen, ist, dass die Alpin-Szene und die internationale Presse jeden ihrer Schritte verfolgen. Während damals von ausgehungerten Bergsteigern in verzweifelter Situation die Rede war, liest sich ihre Sicht der Dinge im nun erschienenen Buch „Teufelswand“ weitaus weniger dramatisch.
Sicher, auch Kehrer und Nones geraten in knifflige Situationen, können im Nebel kaum die Route erahnen und werden nur durch Glück nicht von einer Lawine in den Abgrund gerissen. Aber die Rettung per Hubschrauber am 24. Juli in 5200 Metern Höhe nehmen sie eigentlich nur an, um schneller vom Basislager die Bergung von Unterkirchners Leichnam organisieren zu können. Dazu kommt es später nicht. Den Vater von drei Kindern aus der Gletscherspalte zu bergen, hieße, das Leben anderer im hohen Maße zu gefährden.
Nones und Kehrer sind zurückhaltende Menschen, das merkt man ihrem Buch an. Ihre Schilderungen handeln nicht von Everest-großen Egos. Das Buch ist ein Denkmal für die Freundschaft zu ihrem Expeditionsleiter Karl Unterkirchner. Und eine Verteidigung gegen die Vorwürfe, dieser habe quasi mutwillig sein und ihre Leben aufs Spiel gesetzt. Verständnis hingegen zeigte von Anfang an von Unterkirchners Lebensgefährtin Silke, deren Interview das Buch beschließt. Nie hat die Mutter seiner drei Kinder versucht, dem Mann die Leidenschaft für riskante Expeditionen auszureden. Sie hat diese nie als Egoismus interpretiert, sondern als Teil seiner Natur akzeptiert: „Unser geliebter Karl ruht nun dort oben, in seiner Welt, glücklich und frei“, schrieb sie auf seine Homepage. Volker Isfort
Simon Kehrer und Walter Nones präsentieren „Teufelswand“ (Malik, 230 Seiten, 19.95 Euro) am 4. März um 20 Uhr im Literaturhaus mit Filmausschnitten