Ein sachlicher Blick auf die moderne Landschaft

Der renommierte Fotograf Albert Renger-Patzsch, beeindruckt mit seinen neusachlichen Fotografien des Ruhrgebiets, die schon über 80 Jahre alt sind und nun erstmals in der Pinakothek der Moderne ausgestellt werden.
von  Karl H. Prestele
Bohrerstraße und Zeche Victoria Mathias, in Essen.
Bohrerstraße und Zeche Victoria Mathias, in Essen. © Albert Renger-Patzsch / Archiv Ann und Jürgen Wilde / VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Der renommierte Fotograf Albert Renger-Patzsch, beeindruckt mit seinen neusachlichen Fotografien des Ruhrgebiets, die schon über 80 Jahre alt sind und nun erstmals in der Pinakothek der Moderne ausgestellt werden.

Auf den ersten Blick wirken diese Schwarzweiß-Aufnahmen von Albert Renger-Patzsch (1897-1966) wegen ihrer emotionsfreien und kompositorischen Klarheit höchst modern, obwohl sie schon vor über 80 Jahren entstanden sind. Mit seiner kühlen, fast beiläufig wirkenden Sicht dokumentierte der damals schon renommierte Fotograf in den Jahren zwischen 1927 bis 1935 die Landschaft, die er am besten kannte: das Ruhrgebiet. Von 1929 bis 1944 hat er selbst in Essen gelebt und man spürt in allen diesen Bildern seine besondere Beziehung zu dieser Gegend. 83 Fotografien aus seiner Serie der Ruhrgebietslandschaften (zumeist Originalabzüge), die zu den Beständen der Stiftung Ann und Jürgen Wilde gehört, zeigt die Pinakothek der Moderne nun erstmals in einer umfassenden Ausstellung auf ziegelroten Wänden.

Albert Renger-Patzsch gilt heute als bedeutendster Vertreter der neusachlichen Fotografie, die seit den 1920er Jahren in einer sachlich klaren Bildsprache Alltagsgegenstände, Architektur und Landschaften festgehalten hat. Seine Serie der Ruhrgebietslandschaften zählt zu den Meisterwerken der Industrie- und Landschaftsfotografie der Moderne. In ihrer kompositorischen Ausgewogenheit gelten seine Werke bis heute als stilbildend und zeitlos, die bis in die zeitgenössische Fotografie hineinwirken, wie etwa bei Bernd & Hilla Becher und ihren Schülern. Vergleichbare Positionen sucht man in der damals zeitgleichen Malerei vergebens. Den urbanen Lebensraum des Ruhrgebiets als modernen Landschaftsraum zu dokumentieren, blieb dem Fotografen Renger-Patzsch vorbehalten.

Zur Serie der Ruhrgebietslandschaften gehören nicht nur überwiegend Kleinformate, sondern auch Großformate (30 x40 cm), von denen einige auch in der Ausstellung zu sehen sind. In allen seinen Fotografien stellt Renger-Patzsch nichts schöner und gefälliger dar, als es wirklich war. "So nah wie möglich an die Wirklichkeit heranzukommen, war sein Anliegen", erklärt Sammlerin Ann Wilde. "Diese Sicht auf die Dinge und das Leben hat uns sehr beeindruckt. Man könnte meinen, dass sein Sehen immer auch mit seinem Denken verbunden war."

Die Ruhrgebietsaufnahmen gehören mit zum Wichtigsten seines Gesamtwerks. Sie nehmen darin auch deshalb eine Sonderstellung ein, weil sie die einzige nicht als Auftrag entstandene Arbeit des Fotografen darstellen. In acht Jahren dokumentierte er eine Landschaft, die sich innerhalb kürzester Zeit von einem ländlichen in einen Industrieraum entwickelte. Die Abraumhalden, Zechenanlagen, Bergarbeitersiedlungen, Hinterhöfe, Vorstadthäuser, Schrebergärten, Fördertürme, Schlote, Zäune, Bäume und Laternenmasten beweisen in ihrer Rhythmisierung und Struktur den großartigen Blick von Renger-Patzsch für Komposition.


Bis 23. April in der Pinakothek der Moderne

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