Ein Saal auf der Insel
Schandfleck ist vielleicht ein etwas zu hartes Wort. Aber eine Zierde unserer Stadt ist der vor sich hingammelnde Kongresssaal des Deutschen Museums keineswegs. Seit Jahren wartet er darauf, als technisches Vordenkerstübchen und „Haus der Wissenschaft” wachgeküsst zu werden.
Jetzt ist ein neuer Vorschlag öffentlich: Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch hat einer Arbeitsgruppe, die Standorte für einen neuen Konzertsaal sucht, das Gelände des leer stehenden Kongresssaals an der Ludwigsbrücke vorgeschlagen. Die Arbeitsgruppe sympathisiert mit der Idee, empfiehlt aber weiterhin, auch für den Finanzgarten eine Machbarkeitsstudie einzuholen.
Heubischs Vorschlag zerschlägt mit einem Hieb den Knäuel einer festgefahrenen Debatte. Die Anbindung durch die S-Bahn-Haltestelle am Isartor ist viel besser. Ein Neu- oder Umbau an der Isar würde ein städtebauliches Problem lösen, die 400 Millionen teure Renovierung des Deutschen Museums bekäme auf diese Weise den Zug ins Visionäre.
Interessant an der Idee ist auch, weil ein moderner, mit allen technischen Finessen ausgestatteter Konzertsaal die Chance bietet, Naturwissenschaft und Kultur nicht als Gegensatz zu begreifen. Das Deutsche Museum könnte außerdem sein Musikinstrumentenmuseum sinnvoll einbringen und erheblich attraktiver präsentieren.
Außerdem: Der Kongresssaal ist ein Traditionsort. Er war in der Nachkriegszeit bereits Münchens größter Konzertsaal. Hier haben Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan und Leonard Bernstein dirigiert. Karl Richter leitete viele Jahre an jedem Karfreitag Bachs „Matthäus-Passion”. Die Callas hat dort gesungen. Pop- und Jazz-Legenden wie The Who, Jimi Hendrix oder Ella Fitzgerald standen auf dem Podium.
Nach der Eröffnung der Gasteig-Philharmonie wurde der Kongresssaal überflüssig und an private Betreiber verkauft. Das „Forum der Technik” mit Planetarium und Imax-Kino wirtschaftete jedoch nie kostendeckend. Nach mehreren Insolvenzen und Umbenennungen wurde der Bau 2008 vom Museum zurückgekauft.
Heubisch denkt dem Vernehmen nach nicht an eine Wiederherstellung des alten Saals, der weder optisch noch akustisch eine Schönheit war. „Ich habe keine Lust, an diesem Platz dieses olle Ding stehen zu lassen”, wird der Minister zitiert. Er möchte die Denkmalschützer von einem mutigen Neubau überzeugen. Aber auch die Integration eines Saals mit 1800 Plätzen in den Altbau wäre möglich.
Um den wäre es allerdings nicht wirklich schade. Es ist zwar schief, German Bestelmeyers Kongresssaal als Nazi-Gebäude abzuschreiben, weil bereits 1928 mit dem Bau begonnen wurde. Aber der Stil ist zum Verwechseln ähnlich. Der Architekt machte als Akademiepräsident der spärlichen Münchner Moderne in München das Leben schwer. Nach 1933 war er als Reichskultursenator ein Günstling des Regimes, das den 2400 Plätze fassenden Saal ab 1935 für seine Feiern nutzte. Von Bestelmeyer gibt es in München Besseres wie den Erweiterungsbau der TU und den Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität, aber auch noch Nazi-Mäßigeres wie das stahlhelmgeschmückte Wirtschaftsministerium in der Prinzregentenstraße.
Noch einmal: Als Standort ist die Kohleninsel ideal. Eine spektakuläre staatliche Baustelle in Sichtweite der Philharmonie am Gasteig hätte außerdem einen weiteren Vorteil: Sie würde Christian Ude und seinen potenziellen Nachfolger Dieter Reiter jeden Tag daran erinnern, dass die Philharmonie und der ganze Kulturbunker drumherum mit jedem Tag älter werden. Bisher halten beide eine ernstzunehmende Renovierung für bildungsbürgerlichen Larifari. Noch. Konkurrenz belebt auch hier das Geschäft.