Ein Prosit den Proleten
Die unverwüstlichen 90er Jahre Raver Scooter lassen im Zenith Feuersäulen krachen, Beats stampfen und GoGo-Girls tanzen - und 3000 Fans findet es "einfach geil".
Die Zahl der tiefergelegten Golf GTIs auf dem Parkplatz ist dann doch überschaubar und auch ein Blick ins Publikum lässt ahnen, dass sich an diesem Abend nicht alle Vorurteile bestätigen werden. 3000 Menschen haben den Weg ins Zenith gefunden - eine stolze Zahl, die nicht jeder Act zu mobilisieren vermag. Nicht jeder - aber sie fast immer: Scooter.
Die Veteranen des 90er JahreTechno sind auf Deutschland-Tour, am Donnerstag waren sie in München. Man kann dem Trio um den wasserstoffblonden Frontmann Hans-Peter Geerdes, alias H.P. Baxxter, vieles vorwerfen, eines jedoch nicht: dass sie sich nicht treu geblieben wären.
Seit fast zwanzig Jahren füllen sie Konzerthallen zwischen Mönchengladbach und Mumbai, Moskau und München mit so einfach produzierten wie effektiven Technohymnen, grölgerecht unterfüttert mit Nonsens-Texten à la „How much is the fish“.
Immer haben sie betont, dass sich nur jene eine Meinung zu Scooter bilden dürften, die ein Livekonzert miterlebt hätten. Tatsächlich ist ein Live-Gig in vieler Hinsicht eine Grenzerfahrung.
Da zucken Lasershows über die Köpfe des Publikums, Feuersäulen schießen aus dem Boden. Zur Hymne „Fire“ hängt sich der unglaublich breitbeinig posierende H.P. Baxxter eine Gitarre um, aus der Funken sprühen. Dazu tänzeln langbeinige GoGo-Girls, die zu jedem Lied ein neues Stück der aktuellen Beate Uhse-Dessous-Kollektion zu präsentieren scheinen. Ein Prosit den Proleten!
Und das Publikum? Lässt sich vom Beat in den Boden stampfen. Einige ziehen ihre T-Shirts aus, zeigen ihre in der Muckibude gestählten Oberkörper – bald ist wieder Ballermann-Saison.
Trotzdem ist das Publikum auffällig gemischt. Vom ergrauten Versicherungsvertreter über die Abiturientin zum Cordsakko-Träger, dazwischen Vater und Sohn, Mutter und Tocher – alles da. Und alle lassen sich gehen. Alt und jung, dick und dünn, schlau und dumm, jeder tanzt wie er kann, der dröhnende Beat stampft alle auf Durchschnittsmaß. Vor Scooter sind sie alle gleich.
Knapp zwei Stunden später mit dem krönenden „Hyper, Hyper“ als Zugabe geht im Zenith das Licht wieder an. Die Massen erheben sich aus einem Sumpf aus Bier und Schweiß. Ein Mädchen stöhnt erschöpft: "Einfach geil."
Reinhard Keck
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