Ein paar Nullen mehr

Guy Ritchie ist nach dem Ende seiner Ehe mit Madonna zurück im Rampenlicht – als Regisseur von „Sherlock Holmes“. Der Film spielte weltweit schon fast 400 Millionen Dollar ein
von  Abendzeitung

Guy Ritchie ist nach dem Ende seiner Ehe mit Madonna zurück im Rampenlicht – als Regisseur von „Sherlock Holmes“. Der Film spielte weltweit schon fast 400 Millionen Dollar ein

Ende der 90er Jahre wurde der Brite Guy Ritchie mit seinen Londoner Gangsterfilmen „Bube, Dame, König, Gras“ und „Snatch“ bekannt, zuletzt war er vornehmlich als Mann von Madonna in den Schlagzeilen. Jetzt meldet er sich als glücklich Geschiedener mit „Sherlock Holmes“ (ab Donnerstag im Kino) zurück. Mit Robert Downey Jr. und Jude Law hat Ritchie den Krimiklassiker mittels digitaler Effekte und Martial-Arts-Einlagen zu einem historischen Action-Spektakel aufgeblasen.

AZ: Mr. Ritchie, Sherlock Holmes ist eine altmodische Detektivfigur. Was hat Sie an dem klassischen Krimistoff gereizt?

GUY RITCHIE: Ich habe Sherlock Holmes schon als Kind gemocht, deshalb war es für mich wichtig, dass der Film loyal zur Vorlage bleibt. Auf der anderen Seite mache ich Filme für das Publikum von heute und der Zeitgeist hat sich total verändert. Da muss man als Regisseur bis zu einem bestimmten Maß seinen Finger am Puls haben. Aber gerade der Zusammenfluss der beiden gegensätzlichen Herangehensweisen hat mich gereizt.

Warum sind die Menschen seit Jahrhunderten derart fasziniert von Detektivgeschichten wie „Sherlock Holmes“?

Ich glaube, dass Neugier und Entdeckungslust fest in der menschlichen Natur angelegt sind. Deshalb wirken diese Detektiv-Geschichten so anregend und unterhaltsam auf uns.

Der Film ist Ihre erste große Hollywood-Produktion. Wie enorm war der Erfolgsdruck?

Je älter ich werde, desto weniger Stress bereitet mir das Filmemachen. Die ersten Musikvideos habe ich gemeinsam mit einem Freund gedreht, wir hatten im Grunde keine Ahnung von der Sache und eine geheime Abmachung: Falls alles daneben geht, schieben wir uns gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Das taten wir ein Jahr lang, hatten jedoch mit unseren Videos großen Erfolg. In dieser Zeit hat sich mein Selbstvertrauen als Filmemacher aufgebaut, sich alles langsam entwickelt. Das Budget kletterte von 1000, über 10000 auf eine Million Pfund. Aber das machte mir keine Sorgen, das waren ja nur ein paar Nullen mehr. Erfolgsdruck verliert schnell seine Macht, wenn man ihn einfach nicht beachtet.

Nun war der Film in den USA und Großbritannien sehr erfolgreich. Genießen Sie es, einmal wegen Ihrer Arbeit und nicht wegen Ihres Privatlebens in den Schlagzeilen zu sein?

Ich habe schon seit Jahren nicht mehr in Zeitungen geschaut. Auf diese Achterbahnfahrt lässt man sich in meiner Situation besser gar nicht erst ein.

Wie fast alle Ihre Filme ist „Sherlock Holmes“ ein Männerfilm.

Ich kann nur von einer Position aus sprechen, in der ich mich auskenne. Und da ich nun einmal im Körper eines Mannes stecke, liegt mir diese Welt am nächsten.

Woher kommt Ihre Vorliebe für das Gangstermilieu?

Ich mag die Welt der Subkulturen. Sie sind reich an Geschichten. Als ich als Jugendlicher von der Schule abging, konnte ich gerade einmal lesen und schreiben. Ich habe keine Ausbildung und erst recht keine Karrierepläne im traditionellen Sinne gemacht, über zehn Jahre in minderwertigen Jobs in Bars oder als Fahrer gearbeitet. Wenn es um akademische Dinge geht, fühle ich mich auch heute noch richtiggehend behindert. Vielleicht kommt daher meine Antipathie gegen alles, was standardisiert oder etabliert ist – und mein Faible für Subkulturen.

Sie haben schon drei Filme im London von heute gedreht und die Stadt nun ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Worin besteht die cinéastische Qualität Ihrer Heimatstadt?

In diesem Film sollte London wie eine gleichberechtigte Hauptfigur sein. Ich liebe London, fühle mich in der Stadt sehr verwurzelt. Wenn man London und Paris vergleicht, dann ist Paris wie ein Supermodel. Aber die Stadt hat eben auch die Persönlichkeit eines Supermodels. London hingegen kann manchmal unglaublich schön aussehen, dann aber wieder total schäbig. Aber London hat eine interessantere Persönlichkeit, auch wenn die nicht so attraktiv ist wie die von Paris.

Neben Sherlock Holmes gehört auch James Bond zu den wichtigsten britischen Pop-Ikonen. Könnten Sie sich vorstellen, einmal einen Bond-Film zu drehen?

Ich mag James Bond. Aber da gibt es zu viele kreative Vorschriften. Diese Filme kosten so viel Geld, dass ich nicht derjenige sein will, der mit seiner radikalen Sicht auf die Figur einen Bond-Film in die Pleite treibt. Da wäre mir die Verantwortung dann doch zu groß.

Martin Schwickert

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