Ein Nobody mit Zungenbrecher beim Grand Prix

Mit diesen Namen hatte wohl keiner gerechnet: Alex C. und Oscar Loya treten Mitte Mai für Deutschland beim Grand Prix an. Der federführende NDR versucht es - zwei Jahre nach Roger Cicero - offenbar wieder mit Swing, diesmal aber poppiger. Mit Video.
von  Abendzeitung

Mit diesen Namen hatte wohl keiner gerechnet: Alex C. und Oscar Loya treten Mitte Mai für Deutschland beim Grand Prix an. Der federführende NDR versucht es - zwei Jahre nach Roger Cicero - offenbar wieder mit Swing, diesmal aber poppiger. Mit Video.

Was hatten die Grand-Prix-Fans in den vergangenen Tagen nicht alles spekuliert und mit Namen um sich geworfen: Max Mutzke, Jeanette, Carolin Fortenbacher, Tokio Hotel... aus allen möglichen Musikrichtungen wurden mögliche Kandidaten genannt, die eventuell für Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) Mitte Mai in Moskau antreten würden.

Von wegen! Der federführende NDR, der in diesem Jahr auf einen öffentlichen Vorentscheid verzichtet hatte, ließ eine Jury aus eingereichten Liedern auswählen - und die entschied sich für den deutschen Partyhit-Produzenten Alex Christensen. Der 41-Jährige tritt zusammen mit dem bislang weitgehend unbekannten Oscar Loya beim europäischen Liederwettbewerb unter dem Bandnamen «Alex Swings Oscar Sings» an, wie der NDR am Montagnachmittag bekannt gab. Ein weiteres weibliches Bandmitglied soll noch dazukommen. Die fünfköpfige Jury habe sich für den Dance-Swingtitel «Miss Kiss Kiss Bang» entschieden, hieß es. NDR-Unterhaltungschef Thomas Schreiber beschreibt das Lied als «mitreißenden und fröhlichen Song», der bei der Echo-Verleihung am 21. Februar erstmals öffentlich vorgestellt wird. Die Veranstaltung wird ab 20.15 Uhr live in der ARD übertragen.

Vom U-Boot zum Grand Prix

Bekannt wurde Alex Christensen 1991 mit seiner Technoversion der Filmmelodie von «Das Boot», die er als Formation U96 auf den Markt brachte. Es war der erste Technosong, der es auf den ersten Platz in den deutschen Verkaufscharts schaffte. Außerdem produzierte der Hamburger Künstler wie Paul Anka, Tom Jones, Right Said Fred oder Marianne Rosenberg. Zuletzt war er als Alex C. mit Partysongs wie «Du hast den schönsten Arsch der Welt» in der Hitparade. Oscar Loya stammt aus Kalifornien und tourte als Musical-Sänger um die Welt. Heute lebt er in München. «Das ist eine extrem eingängige Melodie, die sehr international ist», beschrieb Christensen seinen ESC-Beitrag. «Diese Mischung mit Showacts wie Steppen sind Eyecatcher.» Sein Partner Oscar ist professioneller Sänger und Stepptänzer. Christensen bekannte, dass er das Projekt «mit oder ohne Grand Prix gemacht hätte, weil ich so daran glaube». Er selbst sei schon lange ein Grand-Prix-Fan und habe den «größten Respekt» vor dem Wettbewerb.

Während Christensen auf der Bühne am Klavier stehen wird, singt, tanzt und steppt sein 29-jähriger Partner. Der Amerikaner stand schon in mehreren Musicals auf der Bühne. «Er wird sich in Moskau nicht verschrecken lassen, wenn er vor Tausenden Menschen auftritt». Natürlich werde auch die noch geheim gehaltene «Miss Kiss» im Finale zu sehen sein. Deutschland ist neben Frankreich, Großbritannien und Spanien sowie Gastgeber Russland direkt im ESC-Finale am 16. Mai gesetzt.

Zweiter Versuch mit Swing

In der NDR-Jury saßen der 1998 für Deutschland angetretene Schlagersänger Guildo Horn, das frühere Jurymitglied bei «Deutschland sucht den Superstar» Sylvia Kollek, Ralf Quibeldey von der NDR-Unterhaltungsredaktion sowie Peter Urban, der seit vielen Jahren den Eurovision Song Contest fürs Erste kommentiert, und Musikmanager Heinz Canibol. Diese wählten nach Angaben des Senders aus etwa zwölf Titeln aus. Die Stücke wurden laut NDR von der Jury angehört, ohne den Liedautor zu kennen. Dass sich die Jury Erfolg von «Alex Swings Oscar Sings» verspricht, liegt auch in der Teilnahme des Swingsängers Roger Cicero beim ESC 2007 begründet. «Als Roger angetreten ist, gab es von allen positive Resonanzen und alle waren entsetzt, wie wenig die Qualität beim Publikum angekommen ist», sagte der Leiter der deutschen Delegation in Moskau, Manfred Witt. Cicero hatte 2007 den 19. Platz belegt.

«Es liegen Erfahrungen vor, dass die Jurys die Qualität anders bewerten als das Publikum», fügte Witt hinzu. Anders als in den Vorjahren soll beim diesjährigen Song Contest die Punktewertung aus dem Televoting der Zuschauer und der Beurteilung durch nationale Juries zusammengesetzt sein. Im Vorfeld hieß es, auch der Komponist Ralph Siegel habe sich mit drei Titeln beim NDR beworben. Siegel hat jahrelang ESC-Lieder für Deutschland komponiert, er gewann den Wettbewerb 1982 mit «Ein bisschen Frieden», vorgetragen von Nicole. Im vergangenen Jahr war die Girlband No Angels beim Grand Prix auf dem letzten Platz gelandet, es gewann der Russe Dima Bilan. Oscar Loya: Spotlight Awaits

Andrew Lloyd Webber und Patricia Kaas

Während in Deutschland die Jury unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagte, haben andernorts schon längst Vorentscheidungen mit teils mehreren Vorrunden (unter anderem in Schweden, Norwegen, Bulgarien und im finanziell schwer gebeutelten Island) begonnen. Einige Nationen zaubern gar die ganz großen Namen aus dem Hut: So gelang es der britischen BBC, keinen geringeren als den Musical-Komponisten Andrew Lloyd Webber zu gewinnen; die Zeilen zum britischen Beitrag «My Time» lieferte die bekannte US-Texterin Diane Warren, die schon für Celine Dion, Cher und Aerosmith schrieb und einen Grammy zu Hause stehen hat. Für Frankreich tritt derweil die auch hierzulande bekannte Sängerin Patricia Kaas in Moskau an. Das hat das französische Fernsehen zwar bislang noch nicht bestätigt, doch die Sängerin selbst tat es jüngst in einem Zeitungsinterview kund und bestätigte die Teilnahme vor wenigen Tagen in der NDR-«Schaubude». Ganz große Wege ging Spanien: Hier hat man gleich 455 Lieder aufs Publikum losgelassen - und nutzte dabei das Internet als Abstimmungsmedium. Bis 19. Januar ließen sich die Lieder aus so unterschiedlichen Kategorien wie Pop, Flamenco, R&B und Metal im Netz anhören und bewerten. Das Verfahren stieß auf enorme Resonanz: Schon nach drei Wochen hatte der Sender TVE drei Millionen Stimmen eingesammelt - und das trotz Beschränkung: Man durfte maximal 20 Mal pro Tag voten. Das letzte Wort haben allerdings die Fernsehzuschauer, denen ab Februar die Titel mit den meisten Internet-Stimmen in mehreren Vorentscheidungsshow präsentiert werden. (nz)

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