Ein Mörder? Keine Leiche!
Der Münchner Schriftsteller Friedrich Ani hat seinem Zorn über den realen Kriminalfall Peggy Luft gemacht in seinem neuen, spannenden Roman „Totsein verjährt nicht“.
Kein Fall in der jüngeren deutschen Kriminalgeschichte hat den Münchner Autor Friedrich Ani so beschäftigt und innerlich erzürnt wie der Fall Peggy. Zur Erinnerung: Das neunjährige Mädchen aus dem fränkischen Lichtenberg nahe der tschechischen Grenze verschwand am 7. Mai 2001 spurlos. Bis heute wurde keine Leiche gefunden, es gibt keine Indizien für einen Mord – aber einen verurteilten Täter.
Ein geistig zurückgebliebener junger Mann wurde ohne Rechtsbeistand in einem Dauerverhör (das Vernehmungsprotokoll ist über 500 Seiten dick) zu einem „Geständnis“ gezwungen, das er zwei Tage später widerrief. Zuvor hatte Innenminister Beckstein den als Chef der Soko „Peggy“ ermittelnden Kommissar austauschen lassen. Der vor Unstimmigkeiten und Ermittlungsfehlern strotzende Fall musste – so scheint es – unbedingt abgeschlossen werden. Als eine Art „Folter“ bezeichnet Kommissar Polonius Fischer in Anis neuem Roman „Totsein verjährt nicht“ den Umgang der Polizei mit dem später zu lebenslanger Haft verurteilten Mann. Ani hat, mit allen künstlerischen Freiheiten des Autors, den Fall leicht variiert und nach München verlegt.
In Polonius Fischers drittem Einsatz kommen seine Ermittlungen sechs Jahre nach dem Verschwinden der jungen Scarlett Peters wieder ins Rollen, als der Kommissar, der damals die erste Soko leitete, von einem Jugendlichen einen brisanten Brief erhält. Er habe, so der 16-jährige Marcel, Scarlett auf dem Marienplatz erkannt. Der Brief reißt alte Wunden auf. Und Fischer, der die damalige Absetzung nicht verwunden hat, mehr noch aber die spätere Verurteilung eines in seinen Augen völlig Unschuldigen, beginnt, die ganze Geschichte neu aufzurollen. Auch wenn er dazu überhaupt keine Befugnis hat. Aber Fischer intereressiert sich nicht für Kompetenzgerangel und Behördenbeschlüsse, die Wahrheit ist für ihn eine fast körperliche Notwendigkeit.
In seinem (vorerst?) letzten und besten Fall ist der Kommissar, der aus dem Kloster kam, häufig am Ende seiner Kräfte. Seine Freundin, Taxifahrerin Ann-Kristin, ist überfallen und schwer misshandelt worden, nur mühsam kann sich Fischer im Verhör mit den Tätern zusammenreißen. Gänzlich aber verliert er das Gleichgewicht, als er Scarletts Mutter nachts auf dem Friedhof in die Mangel nimmt. Gewalt und Hass sind diesem gottverlassenen Exmönch keineswegs fremd, auch wenn sie sich aus der Verzweiflung über die menschlichen Schattenseiten speisen.
Vor dem Hintergrund des realen Schicksals gewinnt dieser spannende Roman doppelt an Brisanz. Denn – so viel sei verraten – ein unschuldiger Mann wird das Gefängnis verlassen dürfen
Volker Isfort
Friedrich Ani: „Totsein verjährt nicht“ (Zsolnay, 286 Seiten, 19.90 Euro)
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