Ein Meteor in der Ferne
In Saarbrücken könnte mit einem Entwurf von Architekt Stephan Braunfels der Konzertsaal wahr werden, der an der Isar wohl Traum bleiben muss
Der Marstall schlummert vor sich hin. Der von Kurt Faltlhauser gegründete Förderverein für den Bau eines Konzertsaals hat noch immer keine Homepage, Opernchef Klaus Bachler und der künftige Staatsschau-spiel-Intendant Martin Kušej verfolgen andere Ideen mit der ehemaligen Hofreitschule. Kunstminister Goppel wirkt ebensowenig begeistert wie Christian Ude. Und im Wahlkampf will sich ohnehin niemand für ein Kulturprojekt aus dem Fenster hängen, so lange Kindergärten fehlen und die Schulen vergammeln.
Das Saarland ist schon weiter. Ministerpräsident Peter Müller, Rundfunkchef Fritz Raaf und die Generalintendantin des Theaters ziehen an einem Strang und sind sich einig: Saarbrücken braucht einen Konzertsaal für die Deutsche Radiophilharmonie, seit 2006 geleitet von Christoph Poppen. Der ehemalige künstlerische Leiter des Münchener Kammerorchesters hat schon den passenden Ort in einem städtebaulich entwicklungsfähigen Industriegebiet entdeckt und Stephan Braunfels für die Planung gewonnen.
Rundfunk-Klangkörper sind meistens nur Untermieter
„Die nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten Rundfunk-Klangkörper haben fast alle keine eigenen Säle“, sagt der 58-jährige Architekt der modernen Pinakothek. „Sie sind überall nur Untermieter oder spielen in gehobenen Provisorien wie dem Herkulessaal.“ Ein ehemaliges E-Werk könnte in Saarbrücken zur Philharmonie werden: „Es ist ein herrlicher Industriebau, der als intaktes Gebäude nicht eigens renoviert werden muss.“ Braunfels möchte in die Halle wie ein großes Möbel einen Saal mit 1300 Plätzen hineinstellen, der durch seine filigrane Konstruktion selbst zum Klang- und Resonanzkörper werden soll.
Braunfels entwickelte seinen Entwurf mit dem Akustiker Karlheinz Müller. Er sorgte dafür, dass sich die Pinakotheks-Rotunde zu einem idealen Ort für Neue Musik etabliert hat. Obwohl in den letzten Jahren bei Konzertsälen nach dem Vorbild der Berliner Philharmonie meist Arenen errichtet wurden, entschied sich der Architekt für die Rechteck-Form, die sich bei Jean Nouvels hochgelobtem Neubau in Luzern bewährt hat.
Braunfels fühlt sich von Faltlhauser ausgebootet
Optimisten halten die Fertigstellung bis 2010 für möglich. Was die dreimal so teuren Münchner Konzertsaal-Pläne angeht, wirkt Braunfels skeptisch. Ein ähnlicher Einbau wäre im Marstall nicht möglich, weil das Gebäude zu schmal ist. Der Musikfan hat 2001 für das BR-Symphonieorchester Standorte geprüft. Er kam damals zum gleichen Ergebnis wie Kurt Faltlhausers Ideenwettbewerb von 2007: „Klenzes ehemalige Hofreitschule ist potenziell einer der prächtigsten Säle der Stadt. Ich würde ihn originalgetreu wiederherstellen, für Opernbälle oder Staatsempfänge nutzen und den Konzertsaal auf der Freifläche hinter dem Gebäude bauen“, sagt er.
Braunfels ärgert sich über den Ex-Finanzminister, der seine Ideen vereinnahmte und einen neuen Wettbewerb für längst vorhandene Pläne auslobte. Aber er ist nicht nachtragend: „München braucht einen akustisch optimalen Saal“, sagt er in Florenz ins Handy. Dort sieht er sich wieder die Bauten seines Vorbilds Filippo Brunelleschi an. Der blieb mit Beharrlichkeit bei seinen Ideen für die Domkuppel und setzte sich gegen die Bedenkenträger durch.
Robert Braunmüller