Ein Luftschloss im aufziehenden Sturm

Der Verein Konzertsaal Marstall e.V. verbreitet im Prinze Optimismus ohne harte Fakten
von  Abendzeitung

Der Verein Konzertsaal Marstall e.V. verbreitet im Prinze Optimismus ohne harte Fakten

Warum spricht Kurt Faltlhauser das Wort Marstall mit spitzlippigem st aus, als sei er Helmut Schmidt und kein Gwachs von der Schwanthaler Höh? Auch den Namen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks verschluckt er wie Gerhard Polt als Bürgermeister von Bad Hausen auf der neuen CD der Biermösl-Blosn.

Es hat mit Gefühlen zu tun. Des Prinzregententheaters zweiter Gründer, der an diesem Abend oft beschworene August Everding, hätte den dort vom Verein Konzertsaal Marstall e.V. zahlreich Versammelten sofort 1000 Euro pro Kopf abgeknöpft und ein Prozent der auf 130 Millionen vermuteten Bausumme zusammengebracht.

Aber der Marstall muss ohne Everding auskommen. Dafür hat das Projekt den Charme einer Hausbesetzung durch das BR-Symphonieorchester. Es will in Klenzes ehemalige Hofreitschule hinein, die dem Staat gehört. Der soll nicht nur Vertreibung der Werkstätten des Staatsschauspiels samt Bühne bezahlen, sondern möglichst auch den Umbau selbst. Das macht die an sich begrüßenswerte Idee eines akustisch optimalen Konzertsaals für München zu einem Luftschloss.

Wer soll zahlen? Natürlich der Steuerzahler

Wieder einmal wurde die Frage nach einer realistischen Finanzierung nur mit dem Vorwurf beantwortet, man möge nicht so kleinkariert denken. Tatsächlich aber schaut es seit dem orchesterkritischen Rechnungshofbericht zum BR noch schlechter aus. Derzeit weht ein rundfunkpolitisches Lüftchen, das zusätzlichen Ausgaben für die Klangkörper ungünstig ist und sich bald zum lebensbedrohlichen Sturm auffrischen könnte.

Mehr als ein Scherflein zur technischen Ausstattung und Akustik sind seitens des Senders nicht drin. Die Redner beschworen den Münchner Bürgersinn, aber anscheinend hat sich bisher kein erwähnenswerter Großsponsor gefunden. Angesichts der Krise wäre das auch ein Wunder.

Applaus für Thielemann

Werner Mittelbach schilderte beredt die Probleme des Orchesters mit dem fehlenden Erstbelegungsrecht im Gasteig. Die Architekten Peter Kluska und Gert Goergens widerlegten die von der Akademie der Schönen Künste verbreitete Mär vom Solitär: Der Marstall war vor den Bomben des Weltkriegs kein Einzelbau, weshalb aus denkmalpflegerischer Sicht Anbauten möglich wären.

Mittelfristig plädierte Goergens in einem Nebensatz sogar für eine Niederlegung des halben Kulissenmagazins der Staatsoper. Mit dieser Forderung wird er sich bei dieser kaum beliebt machen. Womit wir beim Grundproblem wären: Von Anfang an wurde versäumt, Verbündete für das Projekt zu finden. Mögliche Betroffene wie das Staatsschauspiel und die Staatsoper wurden kaum eingebunden. Immerhin gab es herzlichen Beifall, als sich Faltlhauser für den Verbleib des kaum als Marstall-Freund bekannt gewordenen Christian Thielemann bei den Philharmonikern aussprach.

Der Verein legte ein Gutachten von Roland Berger vor, das mit einem neuen Saal eine Steigerung der Konzertbesucherzahl um 30 Prozent für möglich hält. Im Dezember werden vom Kabinett in Auftrag gegebene Schätzungen zu den Kosten, der Akustik und dem Bedarf vorliegen. Dann wird man weitersehen.

Bis dahin setzt sich hoffentlich etwas mehr Realismus bei den Betreibern dieses an sich vernünftigen Projekts durch. Mit dem Kopf durch die Wand oder im Stil von CSU-Hinterzimmern jedenfalls gewinnt man die Herzen und Geldbeutel nicht.

Robert Braunmüller

Die Reden sind bald unter www.konzertsaal-marstall.de nachzuhören, Gerhard Polt auf „Jubliäum“ bei Kein & Aber

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