Ein leidenschaftlicher Brief
Adrianne Pieczonka: Die kanadische Sopranistin über den Unterschied zwischen Kent Nagano und Christian Thielemann.
Für München legt die Bayreuther Sieglinde heuer eine Pause ein. Adrianne Pieczonka bleibt ihrem „Ring“-Dirigenten Christian Thielemann treu: Bei „Klassik am Odeonsplatz“ ist sie Solistin seines Tschaikowsky-Programms. Zwei Wochen später singt sie unter Kent Nagano in der zweiten Festspielpremiere die Titelpartie in der Strauss- Oper „Ariadne auf Naxos“.
AZ: Frau Pieczonka, wie kam Thielemann auf Sie als Tschaikowsky- Solistin?
ADRIANNE PIECZONKA: Die Tatjana ist eine meiner Lieblingsrollen. Sie brachte mir den Durchbruch, als ich die Rolle erstmals in Harry Kupfers Inszenierung von „Eugen Onegin“ 1991 an der Wiener Volksoper sang. Später bin ich damit in Dresden, Köln und der Wiener Staatsoper aufgetreten, dann zehn Jahre nicht mehr. Da Freude mich Thielemanns Angebot für die Briefszene sehr.
Haben Sie schon öfter Open air gesungen?
Einmal in Toronto. Aber ich habe damit nicht so große Erfahrungen wie Villazón oder Netrebko. Ich werde wahrscheinlich sehr nervös sein.
Worum geht es in der Brief- Szene aus „Eugen Onegin“?
Sie ist der Kern der Oper. Tatjana verliebt sich auf einen Schlag in Onegin, den sie nur einmal kurz gesehen hat und schreibt einen Liebesbrief. Ich mag russische Musik, weil sie so leidenschaftlich und romantisch ist. Mein Vater stammt aus Polen, der Großvater mütterlicherseits ist in Russland geboren. Tschaikowsky spricht meine slawisch-melancholische Seite an.
Wann haben Sie zum ersten Mal mit Christian Thielemann gearbeitet?
Vor acht Jahren bin ich mit den „Vier letzten Liedern“ von Strauss beim Philharmonia Orchestra eingesprungen. Thielemann ist kein Dirigent, der anreist, dirigiert und davonfliegt. Er nimmt sich Zeit, probiert sorgfältig und verlangt viel. Während der Vorstellung ist er voller Emotion, aber er nimmt mit dem Orchester immer Rücksicht auf die Sänger.
Wie unterscheiden sich der städtische und der bayerische Generalmusikdirektor?
Unter Kent Nagano habe ich schon öfter in Los Angeles und Montreal gesungen, zuletzt Olivier Messiaens Vokalzyklus „Poèmes pour Mi“. Er setzt sich sehr für zeitgenössische Musik ein. Thielemann ist hitzköpfig, Kent hat mehr Ruhe – obwohl er Amerikaner ist, verkörpert er für mich asiatische Ruhe. Ich mag beide sehr.
Ariadne wartet und leidet. Ist das nicht eine etwas langweilige Rolle?
Ich habe sie eben an der Wiener Staatsoper in einer 30 Jahre alten Inszenierung von Filippo Sanjust gesungen. Sie ist sehr statisch. Ich hoffe, dass es bei Robert Carsen etwas lebendiger zugeht – er war Regisseur im Salzburger „Rosenkavalier“ mit mir als Marschallin. Aber in „Ariadne auf Naxos“ hat nicht nur die Zerbinetta Spaß: Ich liebe Strauss und seine Musik. Die kammermusikalische Orchesterbesetzung passt auch sehr gut ins Prinzregententheater.
Man hört, Sie hätten eine Tochter mit Ihrer Lebensgefährtin?
Sie ist die leibliche Mutter, aber wir beide sind Eltern aus Leidenschaft. Daher versuche ich oft, in Toronto zu sein. Unsere Tochter ist jetzt zweieinhalb und wird während der Proben in München sein. Danach gönne ich mir einen langen Sommerurlaub in Kanada. Es ist wichtig für mich, bodenständig zu bleiben.
Robert Braunmüller
Die „Ariadne“-Vorstellungen sind ausverkauft. Karten für „Klassik am Odeonsplatz“ mit Thielemann und Pieczonka am 6. 7. in der AZ-Schalterhalle