Ein Jaguar-Schlüssel zum großen Erfolg
70 Jahre alt und voller Kinopläne: Regisseur Joseph Vilsmaier über die Veränderungen im Filmgeschäft und seinen schwierigen Start
Der bayerischste aller Regisseure, Joseph Vilsmaier, folgt seinem Gespür für Themen und liegt meistens richtig damit. Schon sein Regiedebüt „Herbstmilch“ brachte ihm 1988 Erfolg. Der Regisseur, Produzent und Kameramann setzt seinen Kopf durch, von „Rama dama“ bis zur „Geschichte vom Brandner Kaspar“. Am heutigen Samstag wird der Münchner 70 Jahre alt.
AZ: Herr Vilsmaier, andere setzen sich in Ihrem Alter zur Ruhe, Sie haben 2008 „Nanga Parbat“, das Drama um Günther und Reinhold Messner, im Himalaya gedreht.
JOSEPH VILSMAIER: Und ich konnte mit den Jungen mithalten. Das Basislager war in 3600 Meter Höhe, der Puls raste wie verrückt. Wir sind am selben Tag noch auf 4800 Meter hoch und nach drei Tagen auf 6000. Aber ich habe es geschafft.
Was brachte Sie nach einem Musikstudium und Jazz-Auftritten zum Film?
Mit 14 wollte ich Kameramann, Feuerwehrmann oder Radrennfahrer werden und begann eine Lehre bei ARRI in den kameratechnischen Betrieben. Parallel habe ich Klavier studiert, von montags bis freitags. In der Übergangszeit, bis ich 1961 bei der Bavaria anfangen konnte, bin ich Taxi gefahren und habe auf dem Land Bettwäsche verkauft. Nach 19 Jahren Bavaria habe ich mich als Kameramann selbständig gemacht. Beim Besuch auf dem kleinen Hof meiner Großeltern im Rottal hörte ich von der niederbayerischen Bäuerin Anna Wimschneider und habe nachts ihr Buch „Herbstmilch“ verschlungen. Am nächsten Morgen habe ich sie angerufen und gefragt, ob ich vorbeikommen kann. Die haben sich tot gelacht über die Idee, einen Film zu machen.
Wie haben Sie das Projekt durchgeboxt?
Der erste Schock kam beim Kauf der Buchrechte. Der Piper Verlag wollte damals 110000 Mark. Das Schlimme: Mein erster Förderantrag wurde abgelehnt, wahrscheinlich dachten die, da ist ein Wahnsinniger unterwegs, weil ich aus Geldnot für alle Funktionen meinen Namen hingeschrieben hatte. Beim nächsten Anlauf klappte es, aber ich musste einen Kredit aufnehmen. Im Januar drauf erhielt ich den Bayerischen Filmpreis, und zu meinem Geburtstag lotste mich der Verleihchef von Senator in die Tiefgarage zu einem 12 Zylinder Jaguar Cabriolet und warf mir den Schlüssel zu: „Lieber Joseph, den schenke ich dir zum Erfolg.“ So etwas gibt es gar nicht mehr .
Sind Sie ein Sturkopf?
Nicht unbedingt. Aber wenn ich mir etwas in den Kopf setze, lasse ich mich nicht beirren und schon gar nicht gängeln. Ich bin ein Bauchmensch. Wenn mir ein Filmstoff gefällt, entscheide ich oft binnen einer Woche, sonst vergeht mir die Lust.
Woher kommt Ihr Interesse an Historienthemen wie „Stalingrad“?
Ich kenne noch die Alarmsirenen im Krieg, diese ständige Angst, nicht schnell genug den Bunker zu erreichen. Krieg soll es nie mehr geben. Um die Erinnerung wach zu halten, darf man nicht staubtrocken belehren, sondern muss die Menschen emotional packen. Durch meine Kinotouren bin ich am Puls des Publikums. Wenn im Mathäser Kino 800 Leute beim „Brandner Kaspar“ jubeln, geht mir das schon nah.
In Ihren „Heimatfilmen“ sind die Menschen religiös.
Ich bin nicht der große Kirchgänger, aber christlich erzogen, wuchs in einem Heim mit Klosterfrauen und geistlichen Herren auf, durfte die Orgel spielen. Egal ob Moslem, Buddhist oder Christ, Glaube gibt eine gewisse Zufriedenheit, ein Strohhalm, durch den ich Kraft ziehe.
Filmbusiness als Familienbetrieb? Ihre Töchter standen vor der Kamera, mit Ihrer Frau Dana Vávrová bilden Sie ein künstlerisch produktives Gespann.
Sie ist beides, Muse und Kritikerin. Wenn sie sagt, du verrennst dich, denke ich schwer darüber nach. Gegen ihre Kritik lesen sich die Verrisse von Journalisten harmlos. Die Zusammenarbeit ist immer super ohne jegliche Konkurrenz.
Ihr Resümee nach über 40 Jahren im Filmgeschäft?
Früher herrschte ein größeres Vertrauen. Ein Handschlag war wie eine Unterschrift. Heute tüftelt man seitenlange Verträge mit Absicherungsklauseln aus. Allerdings: Franz Xaver Kroetz, Bully Herbig und ich besiegelten beim „Brandner Kaspar“ unsere Zusammenarbeit auch per Handschlag.
Margret Köhler
Eine DVD-Jubiläumsedition mit „Herbstmilch“, „Rama dama“ und „Schlafes Bruder“ ist bei Kinowelt erschienen.
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