„Ein ferner Gruß von Uli“

Christoph Rüter hatte eine ganz besondere Beziehung zu Ulrich Mühe. Zu dessen ersten Todestag errichtet er ihm ein filmisches Denkmal.
von  Abendzeitung

Christoph Rüter hatte eine ganz besondere Beziehung zu Ulrich Mühe. Zu dessen ersten Todestag errichtet er ihm ein filmisches Denkmal.

Jetzt bin ich allein“, deklamiert Ulrich Mühe 1989 als Hamlet auf der Bühne des Deutschen Theaters in Ostberlin. „Jetzt bin ich allein“ heißt auch die Dokumentation von Christoph Rüter, die 3sat am Samstag anlässlich des ersten Todestages von Mühe zeigt. Am 22. Juli 2007 starb der Ausnahmeschauspieler im Alter von 54 Jahren an Krebs.

Rüter lernte Mühe 1989 bei jenen Proben zu Heiner Müllers „Hamlet/Maschine“ kennen. „Ich drehte ungeahnt einen Film nicht über die erstaunlichen Probenarbeiten, sondern auch über das Verschwinden der DDR“, sagt Rüter. „The Time ist out of Joint/Die Zeit ist aus den Fugen“ nannte er seine Doku, durch die er Mühe so nahe kommen sollte.

Film-Ausstrahlung erst nach dem Tod

Am Ende wollte der Schauspieler gar, dass der Film zur Gedächtnisfeier nach seinem Tod gezeigt würde. „Das hat mich getroffen und berührt“, sagt Rüter. „Dieser ferne Gruß von Uli Mühe aus einer anderen Welt sollte für mich zum Auftrag werden, einen Menschen zu zeigen, der seinem Zweifel und seinen Fragen an die Welt auf der Bühne Ausdruck verliehen hat.“

Anhand von Film- und Theaterausschnitten, Gesprächen mit Kollegen und Freunden zeichnet Rüter das Leben Mühes nach. Der Bruder erzählt von Bubenstreichen. Gesine Cukrowski berichtet von der gemeinsamen Möderjagd in „Der letzte Zeuge“. In 73 Folgen hätten sie stets überraschte Gesichter machen müssen, wenn sie den Täter schließlich erkannten. Arte zeigt donnerstags ab 21 Uhr zwei Folgen der ZDF-Serie.

„Ich habe immer Schauspieler werden wollen“

„Ich habe immer Schauspieler werden wollen“, sagt Mühe in einem Ausschnitt. In die ersten Fragebögen in der Schule habe er aber stets andere Berufe geschrieben, „aus Angst, ausgelacht zu werden“. Am Ende des 60-Minüters hält der fünffache Vater an der Seite seiner Frau Susanne Lothar strahlend den Oscar für „Das Leben der Anderen“ in die Kamera – da wusste Mühe bereits von der „finalen Diagnose Magenkrebs“.

Bis auf Mühes Bruder kommt kein Familienmitglied im Film zu Wort. „Die Familie hat mich sehr unterstützt, wollte aber noch nicht vor die Kamera“, sagt Rüter. „Das ist Ulis Film“, habe Susanne Lothar gesagt. „Und Anna Maria Mühe, Tochter von Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe, kann sich sich noch nicht vorstellen, die traurige Schlussgeschichte ihrer Eltern vor einer Kamera zu reflektieren“, sagt Rüter. Mühe hatte seiner 2006 ebenfalls an Krebs gestorbenen Ex-Frau vorgeworfen, für die Stasi gearbeitet zu haben.

„Jetzt bin ich allein“, sagte Mühe 1989 auf der Bühne. Und dann ertönt ein Schrei. „Dieser Moment trifft mich immer wieder, und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, sehe ich auch Mühe und sein Schicksal“, sagt Rüter. „Nach seinem Tod mehr denn je, denn von Mühe ging eine große Scheu aus, eine Schüchternheit und Einsamkeit.“

Angelika Kahl

„Jetzt bin ich allein“ zeigt 3sat am Samstag um 20.15 Uhr

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