Ein Antisemit?

AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über die Debatte um Günter Grass
von  Arno Makowsky

AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über die Debatte um Günter Grass 

Günter Grass sorgt sich um den Weltfrieden. Das passt zu einem 84-jährigen Großdichter, der sich sein Leben lang politisch engagiert hat. Jetzt fühlt er sich offenbar berufen, vor dem drohenden dritten Weltkrieg zu warnen. Den sieht er nicht etwa durch einen durchgeknallten iranischen Präsidenten gefährdet, sondern von „Israel“, respektive der aggressiven israelischen Politik. Das ist inhaltlich fragwürdig, muss grundsätzlich aber erlaubt sein. Dass ein Heer von Empörten (von Mathias Döpfner bis Beate Klarsfeld) ihm deshalb Antisemitismus und „braune Gesinnung“ vorwirft, ist absurd.

Sicher, vieles von dem, was er in seinem „Gedicht“ verbreitet, hält einem Check mit der Realität nicht stand, wie man auf dieser Seite sehen kann. Aber: Günter Grass ist kein Politiker und kein Journalisten. Er muss nicht sorgfältig Argumente abwägen. Sein Ziel ist nicht die Analyse, sondern die Emotion. Sein Tonfall ist polemisch, aber die Kritik richtet sich gegen eine Politik, nicht gegen ein Volk. Vielleicht wollte Günter Grass – von dem es nur noch wenig Literarisches zu berichten gibt – sich vor allem wieder einmal zu Wort melden. Man kann ihm vorwerfen, dass dieser Versuch ziemlich misslungen ist. Ein Antisemit ist er deshalb nicht.

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