Ehe statt Galgen

Die Kammerspiele bringen Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ in einer Inszenierung von Stefan Pucher heraus. Am Staatsschauspiel ist das Stück seit 2004 ebenfalls im Spielplan.
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Die Kammerspiele bringen Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ in einer Inszenierung von Stefan Pucher heraus. Am Staatsschauspiel ist das Stück seit 2004 ebenfalls im Spielplan.

Ein Herzog merkt nach 14 Jahren Regierung, dass sein Staat nicht mehr funktioniert, weil sich Genusssucht breitgemacht hat. Er übergibt die Macht einem Hardliner und beobachtet die Säuberung als verkleideter Mönch aus dem Hintergrund. Stefan Pucher inszeniert Shakespeares Stück an den Kammerspielen.

AZ: Herr Pucher, was bedeutet der Titel des Stücks?

STEFAN PUCHER: Dahinter steckt der biblische Spruch „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“ aus der Bergpredigt. Das ähnelt Kants kategorischem Imperativ „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“. In Shakespeares Stück wird das ähnlich propagiert, aber niemand hält sich daran.

Wie endet das alles?

Mit Zwangsheiraten. Das ist ein Ersatz für die Todesstrafe, für alle Ewigkeit mit jemanden verbunden zu sein, den man nicht liebt. Der Schlimmste von allen, der Hedonist Lucio, bekommt eine Prostituierte und sagt: „Hängt mich lieber.“ Es heißt immer, „Maß für Maß“ sei moralinsauer. Tatsächlich führt William Shakespeare vor, wie mit Moral, Liebe und Recht Politik gemacht wird.

Ist das Stück eine Komödie?

In der Shakespeare-Literatur gibt es dafür das komische Etikett „Problemstück“. „Maß für Maß“ ist voller Altherrenwitze und Kalauer, die heute niemanden mehr interessieren. Ich denke, es wird sicher ein sehr amüsanter Abend voller Merkwürdigkeiten.

Warum haben Sie mit Jens Roselt das Stück neu übersetzt?

Schauspieler reagieren extrem kritisch darauf, vor allem, wenn sie das Stück schon gemacht haben. Es aber ist von Vorteil, wenn Worte zum ersten Mal in den Mund genommen werden. Mir macht es Spaß, einen Text auf diese Weise genau zu erforschen.

Bei Ihnen werden meistens viele Platten aufgelegt.

Diesmal wird wenig gesungen. Das Stück ist ein Gerichtsdrama, fast ein Schauprozess. Ich habe bei den Proben viel über die Rolle von Anwälten und Anklägern nachgedacht. Das Publikum spielt die Rolle der Jury wie in Amerika. Deshalb passt das Stück wie die Faust aufs Auge zum Spielzeitmotto „Geschieht dir recht“.

Warum ist Video für Sie so wichtig?

Es ist reizvoll, für einen Moment die Bühnenwirklichkeit verlassen zu können. Mit Videos lässt sich die Erzählung verknappen oder erweitern und die Inszenierung rhythmisch gliedern. Wir haben als Exkurs über den Tod im Theater René Dumont in der Schreinerei den Kopf absägen lassen. Ich entwickle mit dem Videokünstler Chris Kondek gemeinsam Ideen, die er dann selbstständig ausführt.

Das Staatsschauspiel hat „Maß für Maß“ schon länger im Repertoire. Finden Sie solche Dopplungen gut?

Ich habe noch ein Problem mit dem fünften Akt und würde am liebsten im Resi anrufen und ihn von dort leihen. Vergleiche sind interessant und machen unterschiedliche ästhetische Positionen deutlicher. Mein Traum ist eine Inszenierung von „Romeo und Julia“, in dem der Kampf zwischen den Capulets und Montagues von verschiedenen Ensembles ausgetragen wird. München ist mit den Kammerspielen und dem Staatsschauspiel der perfekte Ort dafür. Christian Stückl vom Volkstheater könnte als Pater Lorenzo dann die Versöhnung stiften.

Robert Braunmüller

Die Premiere am Sa, 19.30 Uhr, ist ausverkauft. Weitere Vorstellungen am 20., 23. und 31.1. und im Februar, Tel. 54 81 81 81

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