Eduard Zimmermann: Pionier des Reality-TV
Er verband Verbrecherjagd mit Fernsehunterhaltung und faszinierte so jahrzehntelang Millionen Deutsche - jetzt starb Eduard Zimmermann mit 80 Jahren.
Bis zuletzt war er lustig, hat viel gelacht.“ Doch dann habe er – der große Kommunikator – die Kommunikation plötzlich eingestellt. „Eduard Zimmermann hat seine Augen geschlossen und signalisiert: Ich mag nicht mehr“, sagt seine Presseagentin Margit Preiss der AZ.
Im Auftrag der Adoptivtochter Sabine Zimmermann teilte sie gestern mit, dass der 80-jährige TV-Fahnder nach langer Krankheit in einem Münchner Altenheim gestorben ist. „Bis 42 Stunden vor seinem Tod am Samstag war mein Vater zu jeder Minute mit seinem Leben zufrieden“, erklärte Sabine Zimmermann, die sich die vergangenen zwei Jahren liebevoll um den Demenzkranken Vater gekümmert hat – bis sein schwaches Herz zu Schlagen aufhörte. „Mein Vater hat immer selbstbestimmt gelebt und in den letzten Stunden deutlich gezeigt, dass es jetzt gut und der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“
Als am 20. Oktober 1967 Zimmermann das erste Mal mit „Aktenzeichen XY...ungelöst“ im ZDF auf Sendung ging, war nicht nur nach 15Minuten der erste Fall gelöst. Ein Melkmaschinen-Vertreter konnte dingfest gemacht werden, er hatte Hunderte von Landwirten mit falschen Versprechungen hereingelegt. Der stets ernst dreinblickende Moderator sorgte ab da auch bei einer ganzen Generation von Kindern für nächtliche Albträume, so unheimlichwaren die Verbrechen in seiner Sendung nachgestellt. 1997 verabschiedete er sich aus der Sendung – doch der Fall, der ihn am meisten berührte, ließ ihn nie los. „Der Fall Ursula Herrmann hat mich physisch aus dem Gleichgewicht gebracht“, erzählte Zimmermann im Mai 2007 im AZ-Interview. Der Blick des Mädchen auf den Polizeifotos hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. „Ich habe ihr versprochen, dass wir den Kerl kriegen werden.“
„Pionier des Realitätsfernsehens“ nennt ZDF-Intendant Markus Schächter den „Ganoven- Ede“, wie Zimmermann schon bald genannt wurde. „Er hat die Möglichkeiten des Fernsehens für die Verbrechensbekämpfung früh erkannt und konsequent eingesetzt.“ Bereits imMärz 1964 – drei Jahre vor „Aktenzeichen XY...ungelöst“ – hieß es im ZDF zum ersten Mal „Vorsicht Falle“. Zimmermann dokumentierte die Methoden von Trickbetrügern. „Er hatte sich damals in Wiesbaden ein Haus gebaut“, erzählt Rudi Cerne der AZ. „Plötzlich hieß es, dass Zimmermann das Dach extra zu bezahlen habe.“ Der damalige ZDF-Redakteur Zimmermann ließ sich zwar nicht neppen, hatte aber die Idee zum neuen Format: Die Menschen müssen im Fernsehen vor Betrügern gewarnt werden. Auch weil er beim anschließenden Streit mit den Lieferanten gemerkt habe, „wie schwer es ist, als Opfer in der Bundesrepublik Recht zu bekommen“.
Aber selbst der Kriminalexperte Zimmermann war vor Gaunern nicht ganz gefeit: 2005 wurde ihm bei einer Zugfahrt von Zürich nach München ein Koffer mit Dokumenten, Kreditkarten und 2000 Euro gestohlen. Er habe sein Gepäck „nur für wenige Sekunden aus den Augen“ gelassen, als er sich von einem Freund verabschiedete.
Auch wenn der Tod Zimmermanns sich lange angekündigt hatte, Cerne, der seit 2002 „Aktenzeichen XY...ungelöst“ moderiert, ist jetzt „sehr getroffen“. Vor eineinhalb Jahren ist er seinem „Mentor, der eine Weiche gestellt hat in meinem Leben“, zum letzten Mal begegnet. Zimmermann sah sich bis zuletzt jede „XY“-Sendung an und sei dabei auch Neuerungen gegenüber viel aufgeschlossener gewesen als man denken könnte. „Es sind große Fußstapfen, in die ich jetzt trete“, sagt Cerne. „Ich werde ihm ewig dankbar sein.“
So konservativ Zimmermann auf dem Bildschirm rüber kam, bevor er für Recht und Ordnung kämpfte, stand er als junger Mann selbst auf der anderen Seite des Gesetzes. Er selbst sah sich immer auch als „Beweis dafür, dass man von der schiefen Bahn wieder runterkommt, wenn man es will“. Denn 2005 bekannte er in seiner Biografie: „In den ersten Nachkriegsjahren bestritt ichmein Leben als professioneller Dieb und Schwarzmarkthändler.“ Mit Betrügen, Stehlen und Fälschen schlug sich der gebürtige Münchner durch und saß, nachdem er bei einer Recherche- Reise 1949 in der Sowjetzone verhaftet worden war, fast fünf Jahre lang wegen Spionage in Haft – bis er aus Anlass einer Generalamnestie vorzeitig frei kam. Diesen Tag feierte er als „zweiten Geburtstag“, sagte er später.
Heute läuft Zimmermanns Format in unzähligen Ländern. Doch für den TV-Fahnder gab es nicht immer nur Lob. Kritiker warfen ihm vor, dass er zum Denunziantentum anstifte. Zimmermann wurde sogar bedroht: „Ja, ich stand auf der Todesliste der RAF“, sagte er einmal im AZ-Interview. „Für die Linken war meine Sendung natürlich ein Stich ins Herz: Da kommt der Zimmermann daher und stellt alle Theorien der 68er infrage.“ Der Blick des Mitbegründers des Weißen Rings galt dabei mehr den Opfern als den Tätern.
Nach seinem Rückzug als Moderator zog er in die Schweiz. Anfang 2008, nach dem Tod seiner Frau Rosmarie, kehrte Zimmermann zurück nach München, um in der Nähe der beiden Töchter aus erster Ehe zu sein. Seit vergangenem Jahr aber ging es ihm gesundheitlich immer schlechter, zuletzt lebte er in einem Münchner Altenheim, in dem er im Beisein seiner Familie am Samstag starb. „Bedanken möchte ich mich bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Münchner Hospiz Christopherus, die mir mit all ihrer Erfahrung sehr dabei geholfen haben, zu sehen und zu akzeptieren, dass mein Vater zufrieden war und abgeschlossen hatte“, sagt seine Tochter Sabine. „Ein großer Trost.“ Die Beerdigung findet im engsten Familienkreis statt. Ein Termin steht noch nicht fest.
Angelika Kahl
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