Edel über Eichinger: „Ein unverschämtes Ego“
Bernd Eichinger wird am Karsamstag 60 Jahre alt. In der AZ gratuliert ihm sein Studienfreund und Weggefährte, der Regisseur Uli Edel: Seit "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" arbeiten sie zusammen, jetzt drehen die beiden einen Berlin-Film über den Rapper Bushido
Ein Film-Besessener und Rock’n’Roller, so kreativ aktiv wie Bernd Eichinger, erwartet zum 60. Geburtstag wahrscheinlich keine bierernste Würdigung. Deutschlands erfolgreichster Filmschaffender, als Produzent, Drehbuchautor und Ideenfinder, hat sich zum Jubeltag am Samstag ohnehin aus München davongemacht und möchte ungestört feiern.
Wir gratulieren ihm dennoch. Der in Los Angeles lebende Regisseur Uli Edel, der auch an einem 11. April geboren wurde, nur zwei Jahre früher, Eichingers Freund seit Anfangsjahren an der Münchner Filmhochschule und Arbeitspartner seit dem Kinohit „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (1981), erinnert sich für die Abendzeitung an die Stationen einer wunderbaren Gemeinschaft:
„Ich konnte ihn erst nicht ausstehen, als er in der Münchner Filmhochschule zum ersten Mal auftauchte. 1970 war das. Der Kerl sah einfach zu gut aus, fast einen Kopf größer als ich, mit seinem unverschämten Selbstbewusstsein, seiner Samtjacke, diesen langen Elvis-Koteletten an der Backe und dieser verdammt hübschen Freundin am Arm.
Ein unerträglicher Provinzproll
Einfach unerträglich, dieser Provinzproll, dachte ich, obwohl ich selbst aus der Provinz kam. Wir saßen dann allerdings schon mittags in der Mensa zusammen und stellten fest, dass wir beide in ’ner Rockband gespielt hatten, beide Peckinpah- und Sergio-Leone-Filme liebten. „Spiel mir das Lied vom Tod" und „Wild Bunch" waren gerade in den Kinos.
Befreundet waren wir ab dann immer, aber zusammen gearbeitet hatten wir vor „Der Baader Meinhof Komplex" schon seit 20 Jahren nicht mehr. Da muss ich jetzt unsere gemeinsamen Erfahrungen mit der Hubert-Selby-Adaption „Last Exit Brooklyn“ von 1989 einfügen. Die waren nämlich niederschmetternd.
Lob von Spielberg
Dass wir einen guten Film gemacht hatten, wussten wir. Die aggressiven Verrisse in Deutschland trafen uns völlig unvorbereitet. Als dann „Last Exit" Monate später in den Staaten anlief, wurde er dort der bestbesprochene Film des Jahres 1990. Endlich durften wir uns ein wenig gebauchpinselt fühlen. Als Spielberg ihn dazu noch ein Meisterwerk nannte, war die Sache für uns erledigt.
„Was brauchen wir mehr?’, meinte Bernd nur. Es war fast wie beim „Baader Meinhof Komplex“: Die Kritiker schäumen zuhause, und in Hollywood gibt's eine Oscar-Nominierung!
Aus harter Arbeit wird Spaß
Während des Drehs waren wir überrascht, wie gut unsere Chemie immer noch funktionierte. Filmemachen ist ja erst einmal ein Haufen Arbeit. Aber zusammen mit Freunden kann die Schinderei auch eine Menge Spaß machen. Das ist bei uns passiert.
Aber es gab auch ziemlich harte Herausforderungen beim Dreh. In den ersten drei Tagen hatte ich die größte Szene in den Kasten zu bekommen: Die Polizeiübergriffe beim Schah-Besuch, im Juni 1967 in Berlin, vor der Deutschen Oper. Tausend Statisten im Kostüm auf der Straße, berittene Polizei, die achtspurige Bismarckstraße für uns volle drei Tage gesperrt.
Und dann die schlimmsten Wolkenbrüche, die ich je erlebt hatte. Alle waren in die Oper geflüchtet. Ich blieb mit Bernd unter einem Regenschirm draußen auf der Straße. Das Pensum war kaum mehr zu schaffen. Die Stadt würde aber die Straßen für uns keinen Tag länger sperren können.
Bernd sah, ich wurde nervös, was nicht oft vorkommt. Er grinste nur: „Sobald der verdammte Regen aufhört, gibst du einfach Vollgas, Uli. Das wird die beste Szene im ganzen Film!“ Natürlich hat er Recht behalten.
Humor ist seine sympathischste Eigenschaft
Neben all seinen Talenten, seiner Vitalität ist ja sein Humor Bernds sympathischste Eigenschaft. Mit Bernd hab ich mehr gelacht als mit irgend jemand sonst. Ich meine, richtig abgelacht. Er lacht auch gern über sich selbst.
Ich erinnere mich noch, als ich ihm mal die Tageszeitung rüberreichte und fragte, ob er sie nicht lesen wolle. Seine Antwort: „Warum? Steh ich drin?“ Das ist Bernd in Reinkultur. Dazu gehört auch ein Ego, so groß wie ein Fußballfeld.
Seit seiner Heirat ist das Rotlichtmilieu nicht mehr dasselbe
Inzwischen wirft er zu vorgerückter Stunde in schicken Lokalen nicht mehr so oft mit Weingläsern um sich wie früher, was eigentlich schade ist. Und das Münchner Rotlichtmilieu ist seit Bernds Heirat mit seiner Katja auch nicht mehr dasselbe.
Unsere Freundschaft pflegen wir ohnehin im Moment nicht am besten beim Feiern, sondern, indem wir zusammen am nächsten Film arbeiten. Dass wir sowohl in München als auch in Los Angeles Nachbarn sind, macht die Sache relativ leicht. Wenn wir abends ausgepowert sind, kocht Katja was Schönes, wir trinken einen guten Wein und schauen uns noch einen Film an. Oder zwei.
Unser neues Projekt ist jetzt „Bushido“, der deutsche Rapperfilm. Es wird auch ein Film über Berlin werden, wie damals, 1981 „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, aber hier eben „Wir Kinder von Kreuzberg und Tempelhof“. Eine wildes Unternehmen, auf das man sich besser nur mit einem risikobereiten Produzenten wie Bernd einlässt.
"Rock" geht nur, wenn man auch "Rollen" kann
Das heißt: Kamera auf die Schulter und rein ins Gettho. An Plätze, die du nicht im Reiseführer findest. Mit den Leuten aus der Szene. Wie gesagt, im Christiane-F.-Stil – und mit gutem deutschem Rap. Wird ziemlich aufregend. Aber Bernd ist ja immer noch der alte Rock'n’Roller, der weiß, dass „Rock" nur funktioniert, wenn man auch „Rollen" kann
Zum Geburtstag wünsche ich ihm noch viele glückliche Jahre mit seiner Frau Katja. Und noch viele Filme, ein paar davon auch mit uns beiden zusammen.“