Dumbo stieg aus einem Münchner Elefantenbad

Heinrich Kley inspirierte Disneys Zeichner – die Villa Stuck erinnert jetzt an den Simplizissimus-Künstler
Christa Sigg |
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"Dumbo!”, ruft der Popkollege im Vorbeigehn. Und mehr wollte man gar nicht hören. Die (Vor)Bilder funktionieren noch nach 70 Jahren. Schlittschuhlaufende Elefanten, tänzelnde Nilpferde – Walt Disney hat sie weltbekannt gemacht. Tatsächlich gehen die Trickfilm-Viechereien aber auf Heinrich Kley zurück. Im Museum Villa Stuck ist dem Münchner Künstler jetzt die erste umfassende monografische Ausstellung gewidmet.

Das ist erstaunlich, Kley war zu Lebzeiten ein geschätzter Maler, gehörte zur erlesenen Equipe der „Simplizissimus”- Zeichner, doch die Kunstgeschichte hat ihn schlicht vergessen. Und wenn seine Arbeiten in eine breitere Öffentlichkeit gelangten, dann im Zusammenhang mit „Walt Disneys wunderbarer Welt” – so hieß 2008 die Schau in der Hypo-Kunsthalle, die Kley neben anderen Europäern als Ideenquelle der amerikanischen Trickfilmindustrie zeigte.

Das passt zum eher zurückgezogenen Leben des bescheidenen Malers, der 1863 in Karlsruhe geboren wurde. Interviews lehnte er grundsätzlich ab, obgleich sich die Kunstkritik heftig für ihn interessierte. Und das passt auch zu dieser außerordentlich feinen Grafik, die sich manchmal erst auf den zweiten, dritten Blick erschließt. Kleys Beiträge für den „Simplicissimus” haben nichts von der plakativen Eindeutigkeit eines Bruno Paul, nichts vom beißenden Spott eines Eduard Thöny, man kann das jetzt in der Stuck-Villa schön vergleichen. Und dennoch piekst die Feder Kleys ins Schwarze. Feilschende Echse und Chamäleon geben da wenig Vertrauen erweckende „Politiker” (1910). Und aus einem überdimensionalen Kuchen pulen sich viele kleine Männlein ihre Rosinen-Weiber heraus. Kley schwappten die Ideen zuhauf aus dem Hirn, das hat er auf einem seiner raren Selbstbildnisse „Inspiration” (1912) just so gemalt: Eine palettengeschürzte Malermuse klappt ihm die Schädeldecke auf und heraus purzeln allerlei Kunstwesen über Arm und Hand auf die Leinwand.

Weit entfernt ist das von den Hüttenwerken und Gussstahlfabriken, mit denen Kley kurz nach 1900 Beachtung fand. Als Industriemaler hatte er nicht nur bei den Krupps gut zu tun. Doch das hinderte ihn nicht, einen Teufel zu zeichnen, der sich angewidert – „Pfui Deifel!” – vom rauchenden Schlot abwendet. Und ob die sich in einer Industriehalle verlustierenden „Krupp’schen Teufel” das Prozedere der Stahlherstellung wirklich so amüsant finden, bleibt im Diffusen. Klar wird dagegen im Verlauf der Schau, dass Heinrich Kley heute präsenter wäre, hätte er mehr dieser großen Formate in Angriff genommen. Grafik ist nicht dazu angetan, die Massen zu erobern. Insofern muss man froh sein über einen dreisten amerikanischen Verleger. Der hat Kleys Federzeichnungen 1941 ohne dessen Wissen veröffentlicht. Und die gerieten eben in Disneys Hände.

Christa Sigg
 

Villa Stuck, bis 1. Mai, Katalog 19.50 Euro

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