Duft der Männlichkeit

Nationaltheater: Bariton Erwin Schrott, ein Escamillo wie aus dem Bilderbuch in Bizets „Carmen“. Jubel für die Sopranistin Genia Kühmeier als Micaela
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Nationaltheater: Bariton Erwin Schrott, ein Escamillo wie aus dem Bilderbuch in Bizets „Carmen“. Jubel für die Sopranistin Genia Kühmeier als Micaela

Die meisten Opernfans waren gekommen, um Erwin Schrott nach seinem formidablen Arienabend vom November auf der Bühne zu erleben. Aber sie verließen die ausverkaufte Vorstellung als Fans der Sopranistin Genia Kühmeier. Sie sang sich als unsentimental-natürliche Micaela ins Herz der „Carmen“-Fans und wurde zuletzt mehr bejubelt als der heiß erwartete Star.

Zuerst überraschte, wie das Nationaltheater Erwin Schrotts im Herkulessaal geradezu donnernde Stimme auf ein Normalmaß schrumpfen ließ. Der Bariton war, mit dunkler Stimme durchdringend nach Männlichkeit duftend, ein eitler Stierkämpfer aus dem Bilderbuch. Vor dem „Toréador, en garde“ nahm Schrott die Stimme zurück, um sie im Refrain aufheulen zu lassen wie einen Porsche beim Kavaliersstart.

Der im Konzert geschmeidig mit Körper und Stimme agierende Sänger kannte als Escamillo nur eine x-fach wiederholte Bewegung des ausgestreckten Arms. Überraschend raubeinig, ohne eleganten Schmelz sang er das Duett mit Carmen vor der Arena. War das nun ein Super-Macho oder die Parodie darauf?

Bei einem Bariton von Schrotts musikalischer Intelligenz wäre Letzteres drin, aber sicher war es nicht. Und so hielt sich der Applaus in freundlichen Grenzen.

Kate Aldrich ließ als Carmen ein paar brustige Gurrer hören, beschränkte sich aber sonst auf geradlinig-brave Töne, die nicht ganz zu ihrer röckwerfenden Erotik passten. In der Kartenszene wurde ihr schöner Mezzo vom Staatsorchester zugedeckt.

Durchwegs hörbar, aber kein Ohrenschmaus war Marco Berti als Don José italienischen Zuschnitts. Unter vermindertem Druck produzierte er graue Töne, und so beließ er es beim schallenden Forte. Gesunder Gesang hört sich anders an.

Carmen und José bremsten den Dirigenten Dan Ettinger aus, der im Kampf mit allerlei Chorwacklern die große Oper betonte. Wegen der längeren Lagerung der Partitur wirkten mit Ausnahme der Flöte alle Bläser-Soli der Zwischenspiele recht eingetrocknet.

Vor langer Zeit schon entschwanden die Oldtimer und Schicksalsnornen aus Lina Wertmüllers Inszenierung. In der noch immer ansehnlichen Ausstattung von Enrico Job fehlte erst die Spitze der Giralda, des Turms der Kathedrale von Sevilla. Einen Akt später, aus einer anderen Richtung gesehen, war sie plötzlich da. Seltsam.

Robert Braunmüller

Für die „Carmen“-Vorstellung der Freunde des Nationaltheaters am Samstag, 18 Uhr, gibt es Restkarten unter Tel. 53 10 48

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