Drive mit Retro-Chic
»It’s Time For A Love Revolution«: Das neue Album von Lenny Kravitz erzeugt Drive durch eine in der Pop-Geschichte selten gewordene Verbindung.
"It’s Time For A Love Revolution" – schon der Titel des neuen Albums von Lenny Kravitz ist ein Auftritt. Das weit geöffnete Hemd, der hinter der Sonnenbrille verborgene Blick, ein ordentlicher Haufen Affärchen mit den Schönen des Show-Geschäftes, die Finger, die den Gitarrenhals würgen: Den Pop-Star formen wirkungsstarke Bilder, die immer auch einen Retro-Chic haben. Der Album-Titel verweist in eine Zeit, als Frauenheld und E-Gitarrist Synonyme waren.
Die Liebes-Revolution des Lenny Kravitz ist nicht zu vergleichen mit der existenzialistischen Sex-Philosophie eines Marvin Gaye. Die Liebe, Liebe, Liebe hat in ihrer Behauptung etwas Leerzitiertes. Es ist das Wesen der Musik von Lenny Kravitz, dass sie funktioniert wie eine schöne Erinnerung. In „Good Morning“ fließen die Gesangsarrangements der Beatles vorbei. Und Ringos unterspanntes Puddingschlagzeug paradiert.
Bei „Will You Marry Me“ gibt sich Lenny das Gesicht des Godfather James Brown. Im Rückblick stellen sich die Dinge natürlich lauter, bunter und einfacher dar, als sie waren. Negativ gewendet ist die Essenz der in den 60ern eingeforderten Selbstverwirklichung bei Kravitz eine Wellness-Plattitüde wie „If you want it, you can change your world today“.
Man muss die Vergangenheit in der Gegenwart finden. Bei „Back In Vietnam“ funktioniert die Wiederauflage. Zum Tackern der E-Gitarre schreibt Kravitz das Menetekel der größten amerikanischen Niederlage an die Wand. Natürlich funktioniert der Vergleich von Vietnam und Irak auf historischer Ebene nur bedingt, aber der röhrenverzerrte Sound der Retro-Apokalypse hat eine eigene Logik.
„I’ll Be Waiting“ ist im Gegensatz zur behaupteten Schwere seit ganz langer Zeit wieder eine Pop-Ballade, die einfache Melodie und schlichten Text in schönster Tränenseligkeit verbindet. Dieses Album erzeugt Drive durch eine in der Pop-Geschichte selten gewordene Verbindung.
Nachdem der Cock-Rock der weißen Mittelschicht von schwarzen Gitarristen Ende der 60er aus dem Spiel gedrängt wurde, blieb als afro-amerikanische Rock-Referenz eigentlich nur Jimi Hendrix bestehen. Dessen Einzigartigkeit beruht in eben dieser Verbindung von potenter Rockgitarre mit der Funkyness der Black-Community.
Und genau hier schließt auch der gitarrenzentrierte Groove-Rock von Kravitz an. Für „Love Love Love“ hat Kravitz ein effizientes, synkopisches Gitarrenriff erfunden, das den Song nach vorne zieht wie ein amerikanischer Truck. Der Titelsong stampft cool auf die geraden Zählzeiten. In gespielter Hysterie zuckt das E-Gitarrensolo. Unabhängig von den dünnen Thesen seiner Liebes-Revolution ist Lenny Kravitz ein überzeugender Pop-Agitator.
Christian Jooß
Lenny Kravitz: „It’s Time For A Love Revolution“ (Virgin)“
Am 2. Juni tritt Lenny Kravitz in der Olympiahalle auf
(Karten in der AZ-Schalterhalle)