Dominik Raacke spielt in "Herz und Niere"
Kleinliche Kritik an seinem jüngsten Werk weist der Architekt Arnold souverän zurück. Als Diana, eine befreundete Apothekerin, vor dem Modell des 26-stöckigem Turms steht, der bald in Paris errichtet werden soll, merkt sie an, dass er ein wenig phallisch aussehe. Gut gelaunt antwortet er: "Jeder Turm ist phallisch, sonst wäre er ein Würfel". Am Ende der Vorstellung wird Blue Diamond, wie das Bauwerk heißt, ebenso in Trümmern liegen wie Arnolds Ehe.
An diesem Abend erfährt der erfolgsverwöhnte Baumeister, dass seine Frau Kathrin an einer Nierenerkankung leidet. Nur schwer kann er sich mit dem Gedanken anfreunden, eine Niere zu spenden und "einen Teil seiner Innereien bei lebendigem Leibe herausschnitzen zu lassen". Kein Problem hat damit hingegen Götz, Dianas Mann und bester Freund von Kathrin und Arnold. Da er die gleiche Blutgruppe hat, will er eine seiner beiden Nieren gerne hergeben, was Arnold dann doch sehr kränkt.
Der österreichische Autor Stefan Vögel gehört zu den besten und auch produktivsten Komödienschreibern deutscher Sprache. Sein gerne aufgeführtes Stück "Das Brautkleid" war erst vor zwei Jahren in der Komödie im Bayerischen Hof mit Judith Richter zu sehen. Jetzt steht dort "Die Niere" auf dem Spielplan in der gemeinsam mit der Berliner Komödie am Kurfürstendamm produzierten Uraufführungsinszenierung aus dem Jahr 2018. Für München titelte man das Stück um zu "Herz und Niere" in der Hoffnung auf gesteigertes Interesse des hiesigen Publikums.
Obwohl die von Martin Woelffer präzise und mit großer handwerklicher Versiertheit auf den Weg gebrachte Inszenierung schon seit sechs Jahren durch die Republik getourt ist, traut man offenbar einem Boulevardstück nicht das Thema Organspende zu. Aber zumindest die Münchner Premiere hinterließ ein hingerissenes Publikum, denn Vögels Dialoge sind, wie gewohnt, süffig mit vielschichtigem Humor auf den Punkt gebracht und die Handlung überrascht immer wieder mit unerwarteten Entwicklungen.
Vordergründig geht es um eine Gretchenfrage: Wie hältst du es mit deinem Lebenspartner, wenn du ihm mit einer Organspende das Leben verbessern und verlängern könntest. Stefan Vögel hat sich offenbar auch in die medizinischen und pharmazeutischen Hintergründe hinein gearbeitet, vermied aber jeden Eindruck von Dokutheater über Organtransplantation. Die Niereninsuffizienz ist hier das, was Alfred Hitchcock einen "MacGuffin" nannte.
Das ist ein Ereignis oder ein Ding, das ein Reizthema bedeutet und die Motivationen der handelnden Figuren bestimmt, aber dem eigentlichen Konflikt nur vorgelagert ist. Dahinter lauert klassisches Boulevardsujet: Die Insuffizienz der menschlichen Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung des heterosexuellen Zusammenlebens. Es werden bei anschwellender Turbulenz drei Affären enthüllt sowie eine komplex entworfene Intrige.
Die dramaturgische Schwäche ist, dass vieles erst zutage kommt, weil sich die Leute einfach sehr dämlich verplappern. Aber das fällt kaum auf, denn das Darstellerquartett ist in bester Form. Die vielen Aufführungen in den vergangenen Jahren sind scheinbar am Ensemble spurlos vorbei gegangen und die Szenen wirken noch so frisch wie am ersten Abend. Vor allem Dominic Raacke erweist sich als komödiantische Entdeckung und effektsichere Rampensau im Lachtheater.
Oft knapp und doch leichtfüßig vorbei an der Klamotte gibt er dem von sich besoffenen Alpha-Männchen Arnold ein sehr komisches Format. Katja Weitzenböck ist mit der Eleganz, mit der sie ihrer Kathrin Souveränität verleiht, eine angemessene Architekten-Gattin. Jana Klinge beherrscht für Diana auch die feinen Töne des Zickigseins und Ralph Komorr ist der herzerfrischend gutmütige beste Freund Götz.
Komödie im Bayerischen Hof, bis 10. Februar, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Karten erhältlich unter Telefon 29 16 16 33
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