Disneys "Küss den Frosch": Paris Hilton geht leer aus

Wunderbar: Disney schliesst in "Küss den Frosch" mit einer afroamerikanischen Prinzessinnen-Figur an die Gegenwart an und verzaubert mit dem schönen, alten, klassischen Zeichentrick-Stil.
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Wunderbar: Disney schliesst in "Küss den Frosch" mit einer afroamerikanischen Prinzessinnen-Figur an die Gegenwart an und verzaubert mit dem schönen, alten, klassischen Zeichentrick-Stil.

In grossen Sympathie-Umfragen des Disney-Konzerns sackte Micky Maus krass ab: zu spiessig, zu glatt. Prompt will Disney jetzt seine Vorzeige-Maus charakterlich in Zukunft neu positionieren. Und so ist es kein Wunder, dass "Küss den Frosch" im Vorspann als kurzen Vorgeschmack die Maus in ihrer Anfangszeit als "Steamboat Willie" von 1928 zeigt: frech und anarchisch.

Soweit wollte Disney mit "Küss den Frosch" dann doch nicht gehen. Aber sein Rückgriff auf die klassische Zeichenkunst Disneys macht die Geschichte um das kellnernde Mädchen Tiana und ihren Pleite-Prinz wunderbar anders als alle Action- und Computer-Sterilitäts-Exzesse der letzten Animations-Jahre.

Wirbel hatte es in den USA schon gegeben, ehe das erste Bild in die Öffentlichkeit gelangte: Im Obama-Zeitalter zeigt Disney eine farbige Prinzessinnen-Figur, die Prinz Charming bekommt, der allerdings bankrott und vom Teint her ein Yuppie-Latino-Lover ist. Pikant daran: Tianas hysterische, verwöhnte Bonzentochter-Freundin im Paris-Hilton-Stil geht als weisse Super-Zicke leer aus.

Der zweite US-Aufreger war der Ort: Disney lässt sein Liebes-Abenteuer-Märchen nicht mehr in europäischer Neuschwanstein-Kulisse spielen, sondern in der Belle Epoque von New Orleans - der unchristlich voodoo-verseuchten, französisch orientierten, schwarzen Jazz-Kultur-Stadt, die von der Bush-Administration nach der Katrina-Flutkatastrophe - absichtlich? - im Stich gelassen wurde.

Ein weiterer Aufreger ist die zwar klassische Du-kannst-es -schaffen-Kernaussage, aber diesmal mit kapitalismus-kritischer Komponente. Denn Tiana arbeitet sich für ihren Traum vom eigenen Restaurant auf und vernachlässigt ehrgeizig Freunde und Freiheit. Womit sich der deutliche Kreis zum grössten Disney-Klassiker mit Balu-Gemütlichkeits-Philosophie schliesst: dem "Dschungelbuch". Hier wurde so lässig geklaut, dass man seinen Augen und Ohren nicht traut: "Zieh' doch mal Bilanz! Das Leben taugt nicht, wenn du nicht feiern kannst!", wird gesungen, die Schlange Kaa ist mittlerweile serviles Haustier einer gospel-souligen Voodoo-Zauberin. Und ein Alligator, der lieber Mensch sein würde, um als Jazz-König mitzutrompeten, heisst affigerweise Louis.

Trotz soviel Deja-Vu bleiben aber noch viele fantastische neue Persönlichkeiten, wie das alte, vergeblich verliebte, verlotterte Glühwürmchen Ray und der super-zwielichtige Zauber-Halunke mit Eddie-Murphy-Rapper-Bärtchen, Dr. Facilier.

So wird der ganze Film ein fantastisches Disney-Fest mit wunderbarerweise relativ wenig Schmalz, dafür Schmiss, Charme und Zauber. Und am Ende landet die Feiergesellschaft nicht etwa auf einem Schloss, sondern in einem Restaurant. Und wenn Tiana und ihr Prinz nicht gestorben sind, so arbeiten sie dort noch heute!

Adrian Prechtel

Kino: Forum, CinemaxX, Mathäser, Münchner Freiheit, Royal, Solln und Cinema (OV) R: John Musker, Roger Clements (USA, 97 Min.)

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