Dirigieren ist doch gesund

Der Maestro brennt aufs Konzert im Gasteig: Nach krankheitsbedingten Absagen leitet Mariss Jansons heute wieder zum ersten Mal das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
von  Abendzeitung

Der Maestro brennt aufs Konzert im Gasteig: Nach krankheitsbedingten Absagen leitet Mariss Jansons heute wieder zum ersten Mal das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

AZ: Herr Jansons muss man sich Sorgen machen um Sie?

Aber nein (lacht), das müssen Sie nicht. Mir geht’s gut! Und ich freue mich auf das Konzert, das ist doch ein gutes Zeichen.

Sie dirgieren heute ein breites, ziemlich kurioses Programm.

Allerdings. Diesmal treten einzelne Orchestergruppen jeweils separat auf: Streicher, Blechbläser, Schlagzeuge sollen zeigen können, wie gut sie sind. Und am Ende spielen alle zusammen. Das ist also eine richtige Orchesterparade.

Die Komponisten liegen von Corelli über Tschaikowsky bis Bartók und Varèse sehr weit auseinander. Gibt es einen tieferen Zusammenhang?

Nein, das Programm baut sich aus Kontrasten auf, auch hier wollen wir vor allem die Unterschiede zeigen.

Der neue Konzertsaal wird ja nun nicht gebaut...

Das würde ich nicht sagen. Am Marstall wird er nicht gebaut. Obwohl das ginge – wenn man einen Kompromiss mit dem Denkmalschutz eingehen würde. In meinen Augen ist das möglich. Minister Heubisch hat mir allerdings zu verstehen gegeben, dass man nach einem neuen Platz sucht. Den müssen wir jetzt finden. München braucht einen Konzertsaal.

Ihr Vertrag läuft bis 2012. Bleiben Sie denn auch ohne Konzertsaal?

"Ich kämpfe bis klar ist: Der Saal wird gebaut."

Mein Bleiben an den Konzertsaal zu knüpfen, wäre primadonnenhaft, das ist nicht meine Art. Ich werde kämpfen bis klar ist: Ein Saal wird gebaut. Politiker kommen und gehen, Dirigenten kommen und gehen, aber das Orchester bleibt. Und diese Musiker haben den Saal einfach verdient.

Würden Sie überhaupt gerne in München bleiben?

Es gab noch keine Gespräche über eine Vertragsverlängerung. Aber darüber denke ich jetzt nicht nach, ich muss erst meine Aufgaben machen. Und dazu gehört auch dieser Saal.

Wegen einer Operation mussten Sie nicht nur die Wiener „Carmen“ absagen. Denken Sie daran, kürzer zu treten?

Ich habe früher noch viel mehr gemacht. Jetzt dirigiere ich ja nur das BR-Symphonieorchester, das Concertgebouworkest, die Wiener und die Berliner Philharmoniker. Das ist eigentlich schon alles.

Aber immer noch viel. Das findet sicher auch Ihr Arzt.

Ja, ja, ja. Der Arzt sagt immer, ich soll nicht übertreiben. Andererseits ist Dirigieren ein sehr gesunder Beruf. Denn man bewegt sich viel. Und es bringt Freude, das ist doch positive Energie!

Jetzt vergessen Sie aber den Stress, der mit einer Karriere wie der Ihren verbunden ist.

Das ist ganz klar, aber da muss man eine gute Balance finden. Zwischen der Leidenschaft fürs Dirigieren und der Erholung.

Ist Ihr Vater nicht ein mahnendes Beispiel?

Natürlich. Er hatte auch Herzprobleme und ist daran gestorben (Anm.: am Pult). Ich habe das leider geerbt. Doch, Sie haben Recht. Da muss man wohl vorsichtiger sein.

Musik als Lebenselixier

Haben Sie Angst?

Manchmal ja, aber ich versuche, nicht immer daran zu denken. Wenn man ängstlich ist, passiert etwas.

Die Musik ist wahrscheinlich auch Lebenselixier.

Ja, ich kann mir ein Leben ohne Musik, ohne Dirigieren nicht vorstellen. Obwohl ich die lange Zeit, in der ich krank war, direkt genossen habe.

Sie haben doch bestimmt wieder Partituren gelesen.

Nein, nach der Operation ist man mit so vielen medizinischen Dingen beschäftigt, da kommt man zu nichts anderem. Ganz ehrlich: Ich habe weder gearbeitet, noch dirigiert. Aber ich habe auch nicht nur rumgesessen.

Christa Sigg

Heute und Freitag, 2. Juli 2010, 20 Uhr, Philharmonie, Tel.5900 – 4545

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.