Die zweite Chance

Im vergangenen Jahr haben Skunk Anansie mit dem Album „Wonderlustre” endgültig die Trennung überwunden und ihren Sound neu justiert.
von  Christian Jooß

Es war Mitte der 90er. Die Grunge-Szene brach zusammen. Da explodierte in England eine Band mit ihrem Debüt „Paranoid & Sunburnt”. Nach fast einem Jahrzehnt Trennung fanden Skunk Anansie 2009 wieder zusammen. „Wonderlustre” heißt ihr im letzten Jahr erschienenes Album, mit dem die Band heute in die Tonhalle kommt. Gitarrist Ace blickt ohne Angst in die Zukunft.

AZ: Ace, wie war es denn, wieder mit Skunk Anansie zu spielen?

ACE: Fantastisch. Ein bisschen wie eine zweite Chance.

Warum hat sich die Band Anfang 2000 getrennt?

Wir haben jahrelang zusammengearbeitet, waren ausgebrannt. Wir haben uns eigentlich nicht getrennt, sondern einfach aufgehört.

Haben Sie bei den Aufnahmen für „Wonderlustre” versucht, mit einem zeitgenössischen Rocksound Schritt zu halten?

Der Skunk-Anansie-Sound kommt von uns, aber wir müssen bewusst Schritte unternehmen, ihn modern klingen zu lassen. Wir sind eine zeitgenössische Band. Wenn wir ein Album machen, geht es darum, was wir jetzt sind, nicht darum, von Dingen zu leben, die wir getan haben.

Gibt es aktuelle Bands, die euch vorantreiben?

Ich denke doch. Skin mag Chrystal Castles. Und wir können uns alle auf die Kings of Leon einigen. Wir stehen nicht still und wollen keine verkrustete Rockband sein.
Als Skunk Anansie begannen, konzentrierte sich die Pop-Welt noch auf die zerfallende Grunge-Szene.

Wie habt ihr da reingepasst?

Wir waren laut, schwer und aggressiv, erdig und organisch – so war doch auch ein großer Teil der Grunge-Szene.

Aber fast alle englischen Bands hatten doch zu dieser Zeit mit dem Britpop-Label zu kämpfen.

Das war uns egal. Wir waren so anders, dass es für uns keinen Grund gab, gegen Britpop zu kämpfen. Die hatten andere Plattenfirmen und ein anderes Publikum.

Amerika als Orientierung?

Wir waren ja auch nicht wie Rage Against The Machine oder Pearl Jam. Aber wir waren insofern verbunden, als wir versuchten, Rockmusik zu spielen, während Großbritannien versuchte, Indie-Music zu machen.

Sängerin Skin hat die Musik einmal Clit-Rock genannt.

Wir waren die einzige Clit-Rock-Band der Welt. Es war eigentlich ein Witz. Und der gefiel uns auch für fünf Minuten.

Sie haben mal gesagt, Sie verstünden nicht, warum Journalisten Sie eine politische Band nennen.

Wir sind nicht wirklich wie eine politische Band oder sind einer Partei beigetreten. Wir hatten aber ein paar Songs mit politischen Inhalten. Wenn man unseren musikalischen Katalog betrachtet, dann sind von 50 Songs vielleicht zehn politisch.

Haben Skunk Anansie nicht auf ihre Art Politik oder die Gender-Frage wieder in den Rock’n’Roll gebracht?

Zusammen mit vielen anderen Bands. Da gab es ja auch Leute wie Echobelly. Es gibt immer Bands, die das machen. Bis heute. Wir machen das ja auch immer noch in Songs wie „God Bless Only You”. Wir sagen, was wir wollen.

Wird über Texte diskutiert?

Wir besprechen alles, was wir machen. Bis hin zu der Kleidung, die wir tragen. Wir sind eine kommunistische Band.

Eine kommunistische Band?

Nur dahingehend, dass wir alle gleich sind, die Songs zusammen schreiben und Entscheidungen gemeinsam treffen. Da gibt es keinen Bandleader. Skin ist einfach die Frontfrau.

Ihr erster Kontakt mit Rockmusik waren die Sexpistols. Sie mussten die Platte vor Ihrer Mutter verstecken.

Als das Album herauskam, beherrschte das die Schlagzeilen der Zeitungen. Das war wie die Musik des Teufels. Ich war ja erst zehn Jahre alt und hatte „Never Mind The Bollocks”.

Was zog Sie an? Text oder Sound?

Das ganze Paket brachte mich dazu, auszuflippen. Es war aggressiv und sagte Dinge, die keiner vorher gesagt hatte.

Es zählt die Attitüde?

Absolut. Du musst an Musik glauben können.

Ist Rockmusik grundsätzlich eine rebellische Kunstform?

Manchmal ist Rockmusik einfach eine Art der Unterhaltung. Aber jede musikalische Plattform hat in sich Rebellionspotenzial. Es steckt viel Rebellion im Underground-Dance. Das ist so verrückt, dass es dich zum Durchdrehen bringt.

Christian Jooß

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