Die Zeit ist reif für Neues
Anlässlich des 25. Jubiläums seiner Band gastiert Jon Bon Jovi mit seinen drei Kollegen am kommenden Samstag auch in München. Der Rockstar im Interview über Drogen, Hillary Clinton und religiösen Wahnsinn.
Für seine Löwenmähne mussten in den 80er Jahren viele Haarspraydosen ihren Inhalt lassen. Heute, mit 46 Jahren, sitzt Jon Bon Jovi einem im Maßsakko und mit gestutzter Fönfrisur gegenüber.
AZ: Mister Bon Jovi, in die Alkohol-Falle wie Ihr Kumpel Ritchie Sambora sind Sie scheinbar nie getappt.
JON BON JOVI: Ich war sehr jung, aber die Dekadenz und das Klischee, dem man seit jeher als Rockstar entspricht, lagen griffbereit vor mir. Natürlich gab ich viel Geld aus. Aber der Schwachsinn, dass man über eine weithin publizierte Drogenkarriere mehr Platten verkauft, bestärkte mich in meiner Drogenabstinenz.
Applaus ist auch eine Droge.
Ich habe diese bescheuerte Phase längst hinter mir gelassen, in der man wegen des Erfolges einen Therapeuten aufsuchen muss. Die erlebte ich 1989, nach dem „New Jersey“-Album. Heute strebe ich nicht mehr nach Applaus. Ich werde auch gerne nur der Dad für meine Kids sein.
Ihre Freundin Hillary Clinton strebt auf fast makabre Art und Weise nach Ruhm.
Ich unterstütze sie im Wahlkampf, aber Obama hat die treffenderen Argumente. Die Zeit ist reif für einen jungen, farbigen Präsidenten. Es geht eine enorme Energie von seiner Unschuld, dem Vertrauen in die Grundfesten der US-Nation aus. Aber egal, wer das Rennen macht, besser als ein Republikaner sind beide.
Wie haben Sie die acht Jahre Präsidentschaft von Bush erlebt?
Das war ein durch Lügen und religiösen Wahnsinn legitimiertes Desaster für mein Land. Er hat den Wunsch nach einfachen Formeln in der Informationsflut der Medienwelt perfekt für seine Zwecke genutzt. Ähnlich funktionieren ja auch die Formeln in der modernen Musik, auch dort wird der Eindruck erweckt, früher sei alles besser gewesen. Weil alle so rückständig sind, befindet sich die Retro-Welle in ihrer 20. Runde.
Steht der „Lost Highway“ entsprechend als Sinnbild für den Fortschrittsglauben?
Absolut. Die Welt darf sich durch die Bushs und Bin Ladens nicht wieder ins soziale Mittelalter zurückführen lassen, nur weil man Menschen dadurch schneller für seine Sache rekrutieren kann. Wir haben Technologien, die man zur Verständigung nutzen muss. Ich glaube an die kognitive Evolution der Menschheit und versuche, meinen Beitrag durch meine Musik zu leisten.
Die Gerüchte über Ihre Kandidatur für einen Senatorensitz stimmen also nicht?
Wenn man sich im Senat gesanglich artikulieren könnte, wäre ich vielleicht dabei. Im Ernst: Mein Ego ist schon lange befriedigt. Ich muss also nicht auch noch in der Politik aktiv herumpoltern. Mit Musik kann ich mehr bewegen.
Ihr Album „Lost Highway“ orientiert sich stark am Country: Wie sind Sie als Rockstar in der großen Country-Metropole Nashville begrüßt worden?
Die Musikszene ist dort extrem offen, ließ uns den Vibe der Stadt für unser aktuelles Album absorbieren. Es war der musikalische Veränderungs- und Erweiterungswunsch, der uns nach Nashville geführt hat. Wir sind eine Rockband. Aber die lyrisch-poetischen Besonderheiten Nashvilles haben dem Album einen Country-Rock-Touch gegeben.
Wird es nun Country-Arrangements Ihrer alten Hits zu hören geben?
Einige der alten Songs machen sich im sublimen Country-Kostüm ganz gut, aber bei den meisten funktionierte es nicht. Auf jeden Fall wird die Geigerin mit auf Tour sein, die schon für „Lost Highway“ mit uns im Studio war.
Was wünschen Sie sich nun für Ihre Tour?
Dass wir Langlebigkeit und Erfolg beibehalten können, uns des selbst geschaffenen Erbes als würdig erweisen. Dafür sind wir offen für Neuerungen, wie „Lost Highway“ beweist.
Interview: Michael Loesl
Olympiastadion, 24. Mai, 18 Uhr, Restkarten vorhanden