Die Weinbergpredigt
Sei immer redlich und arbeite hart! Der 81-jährige Noah Gordon hat mit „Der Katalane“ ganz zu seiner Art der Erbauungsliteratur gefunden und seine Liebe zu den katalanischen Weinbergen entdeckt.
Man muss sich Noah Gordon als einen glücklichen Menschen vorstellen. Der amerikanische Bestsellerautor – sein „Medicus“ verkaufte sich allein in Deutschland sechs Millionen Mal – stellt in Interviews gerne klar, dass er noch immer am liebsten mit seinen Schulfreunden Angeln geht. Exzesse und Exzentrik sind dem sympathischen 81-Jährigen ebenso wesensfremd wie Selbstzweifel oder Größenwahn. Der Ex-Journalist ist schließlich eher Handwerker denn Künstler und schätzt als solcher das Arbeitsethos.
In seinem neuen Roman „Der Katalane“ (im Original etwas sinnenfreudiger „The Bodega“ betitelt) verbindet Gordon seine Liebe zur iberischen Halbinsel mit seinem Menschenbild. Im Jahre 1874 kehrt der junge Josep aus dem französischen Exil zurück auf das Weingut seines mittlerweile verstorbenen Vaters. Vor Jahren hat er sich als Zweitgeborener ohne Erbrecht dazu hinreißen lassen, ein Soldatenleben an der Waffe zu versuchen.
In vino veritas
Doch er und seine jugendlichen Freunde wurden arglistig getäuscht und in ein Attentat auf Spaniens Ministerpräsidenten verwickelt. Josep, als Zeuge des Hinterhalts in höchster Gefahr, floh zu einem französischen Winzer. Auf dessen Gut lernte er, wie man richtigen Wein herstellt, nicht den Essig, den die Winzer in seinem Heimatdorf dem kargen Boden abtrotzen.
Nun versucht er mühsam, das verwahrloste Grundstück, das er seinem Bruder abkaufen muss, wieder auf Vordermann zu bringen, seinen Platz in der Dorfgemeinschaft zu erobern und die Erinnerung an seine zurückgelassene und inzwischen verheiratete Freundin zu verdrängen.
Die Kunst des Kelterns
Die Rahmenhandlung mit dem zurückliegendem Mord, der Flucht und einem Racheversuch scheint für den eigentlich spannungserprobten Autor eher Pflichterfüllung den Herzenssache zu sein. Auch der gesellschaftspolitische Hintergrund der Karlistenkriege wird eher pointilistisch angetupft denn episch ausgebreitet – so wie es eigentlich im Genre des Historienromans üblich wäre.
Aber Noah Gordon scheint bei seiner Recherche durch die katalanischen Weinberge alles seiner neuen Liebe untergeordnet zu haben: Stolz und akribisch dokumentiert er seine Kenntnisse über die Pflege der Weinstöcke, die Veredelung der Trauben, die Kunst des Kelterns.
Viel Rotwein von Nöten
Und er lässt keine Gelegenheit aus, den Charakter seiner Hauptfigur Josep ins ewige rechte Licht zu rücken. Als dieser beispielsweise eine zerschlagene Weinbrandflasche entdeckt, hebt er die Scherben „behutsam auf, bevor er sich gestattete, an die willkommene Wohltat seiner eigenen Arbeit zu gehen“. Amen.
Da möchte man doch selbst zum Rotwein greifen, um diesem Roman das richtige Aroma zu verleihen. Die Frage ist nur, ob ein Glas genügt? Denn Gordons „Katalane“ ist so spannend wie das „Ave Maria“ und so unvorhersehbar wie das „Vaterunser“. Gegen den tugendreichen Josep und seine aufopferungsvolle Arbeit im Weinberg würde selbst Jesus wie ein Hallodri wirken.
Noah Gordon: der Mustermensch
So schließt man dieses hemmungslos altmodische Loblied auf die Tugend und den unermesslichen Wert ehrlicher Arbeit mit der schönen Gewissheit, dass die Menschheit ja noch in Ordnung sein muss, solange es Menschen wie Noah Gordon gibt. Andersdenkende Leser sollten schleunigst beichten gehen.
Volker Isfort
Autor Noah Gordon stellt seinen Roman „Der Katalane“ (Blessing Verlag, 496 Seiten, 19.95 Euro) am 2. September im Literaturhaus vor.