Die Wahrheit hat einen Namen: München feiert die Auferstehung von Metallica
MÜNCHEN - Bei der Hammerballade „Nothing Else Matters“ brach die ganz Euphorie der 12.000 Zuschauer in der Olympiahalle durch. Feuerbälle verpufften auf der Bühne, Laserstrahlen schossen durch die Halle. Das Metallica-Konzert war auch eine Auferstehungsfeier für den Sound früherer Jahre.
Wehe, wenn sie losgelassen, die vier ganz in schwarz gewandeten Reiter der musikalischen Apokalypse. Vom Rhythmus der donnernden Hufen von Drummer Lars Ullrich erbarmungslos vorangetrieben, schwingen James Hetfield, Kirk Hammett und Rob Trujillo ihre Gitarrenäxte. Was die vier fürchterlichen Spielmannsleute, besser bekannt unter ihrem Kampfnamen Metallica, in der ausverkauften Olympiahalle zum Auftakt ihre Europa-Invasion als Inferno in Noten, als Riff-Orgie, als musikalische Machtdemonstration abliefern, sucht ihresgleichen.
Die Wahrheit zeigt sich live, heißt es in Musikerkreisen. Dementsprechend hat die Wahrheit einen zweiten Namen: Metallica. Denn das Quartett aus Kalifornien ist live noch besser als auf ihren musik- und genreprägenden Platten. Live, da entfalten Metallica erst ihre ganze vielschichtige Faszination, da blasen sie mit ihrer Spielfreude, den irrwitzigen Rhythmus- und Tempiwechseln, den verschachtelten Songstrukturen, die Bohlen-Pop-verseuchten Gehörgänge frei.
Den Lügendetektortest bestanden
Und da zeigt sich, dass die Songs der neuen Platte „Death Magnetic“ nicht im Ansatz neben den Klassikern abfallen. Songs wie „The Day That Never Comes“ oder “The End Of The Line” bestehen den Lügendetektortest der Liveprüfung und passen nahtlos zu den Klassikern wie “Seek And Destroy”, “Battery”, “One”, “Enter Sandman” oder eben „The Four Horseman“. Die vier apokalyptischen Reiter verzichten ganz auf Werke ihrer Phase, in der sie sich hoffnungslos vergaloppierten, wo sie sich mit „Load“ und „Reload“ und „St. Anger“ auf musikalische Irrwege begaben, die sie fast in den Abgrund geführt hätten.
Erst mit „Death Magnetic“ haben Metallica wieder zu sich gefunden, es ist eine Wiederauferstehung, der live mit spielerischer Brillanz der entsprechende Platz eingeräumt wird. Bestes Beispiel dieses grandiosen Abends sind die Killersongs „Master of Puppets“, bei dem Hetfield wirklich zum Puppenspieler der 12000 Fans wird, er mit kleinsten Gesten die Masse dirigiert und diese in kollektiv-orgiastische Ekstase versetzt.
Die Hammerballade „Nothing Else Matters“
Oder auch die Hammerballade „Nothing Else Matters“, bei der Hetfield den Gesang großteils den Fans überlasst. Elefanten-Gänsehaut pur. Nach über zwei Stunden Spielzeit sattelten die vier Reiter wieder auf, um die Wahrheit, die sich bekanntlich nur live zeigt, in Europa weiter zu verbreiten.
Schade, dass in der heutigen Casting-Show-Musikwelt die Wahrheit zur Nebensache und das Schein zum Verkaufsschlager geworden ist. Dagegen treten sie an, die vier Reiter der Apokalypse. Wehe, wenn sie losgelassen.
Matthias Kerber
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