Die Suche nach der Vollendung
Wolfgang Koch hat Wagners Sachs und Kurwenal, Mozarts Almaviva sowie den Geller in Catalanis „LaWally“ im Repertoire. Der 42-jährige Bariton über Ferruccio Busonis Oper „Doktor Faust“ und seine Zukunftspläne.
Er verkörpert einen Intellektuellen, getrieben von Größenwahn, Erkenntnisdrang und der Midlife-Crisis. Wolfgang Koch singt die Titelrolle von Ferruccio Busonis Oper „Doktor Faust“, mit der die Münchner Opern-Festspiele am 28. Juni eröffnet werden. Es ist sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper. Beim Interview in der Kantine des Nationaltheaters zündet er sich erst einmal eine Zigarrette an.
AZ: Herr Koch, dürfen Sänger rauchen?
WOLFGANG KOCH: Das bleibt jedem selbst überlassen. Bei mir ist es eine alte Gewohnheit. Ich rauche fünf Zigaretten am Tag.
Wie wurden Sie Sänger?
Ich war in Burghausen auf dem musischen Gymnasium. Natürlich habe ich Klavier gelernt, aber nach dem Stimmbruch erschien mir das Singen als bequemere Alternative.
Dann gingen Sie nach München.
Meinen Abschluss an der Musikhochschule habe ich 1991 gemacht. Dann sang ich in Bern, Stuttgart und Wien. Aber als Bayer wollte ich immer ans Nationaltheater. Die Staatsoper ist mein Wunsch- Haus, seit der Kindheit.
Sie haben sowohl Wotan und Alberich im Repertoire – das ist ungewöhnlich.
Den „Rheingold“-Wotan sang ich in Göteborg unter Kent Nagano und in Dortmund, aber ich fühlte mich in den tiefen, dramatischen Passagen nicht wohl. Als Alberich kann ich meine starken Seiten besser zeigen.
Warum wird Busonis Oper so selten gespielt?
München ist eine Pfitzner- Stadt. Hier wurde 1917 im Prinzregententheater „Palestrina“ uraufgeführt. Pfitzner griff mit seiner Schrift „Futuristengefahr“ Busonis „Neue Ästhetik der Tonkunst“ an. Die Stadt ist für Busoni immer noch ein heißes Pflaster. Da wundert es mich nicht, dass „Doktor Faust“ erst jetzt ins Nationaltheater kommt. Aber es ist eine sehr gute, spätromantisch üppige Musik.
Sie stehen in der kommenden Saison auch im neuen „Palestrina“ auf der Bühne.
Ich singe den Grafen Luna, die kleinste der drei wunderbaren Bariton-Rollen dieser Oper. Die übrigen habe ich auch im Repertoire: Borromeo war ich in Frankfurt, in Wien Morone. Ich mag beideWerke, und mir gefällt es, dass Pfitzner mit Busoni im Nationaltheater so eng zusammenrückt.
Warum ist Faust bei Busoni ein Bariton?
Anders als in den Opern von Gounod oder Boito kommt Gretchen nicht vor. Die Liebe Fausts zur Herzogin von Parma spielt keine so große Rolle. Busoni fand Erotik auf der Bühne eher peinlich. Die Oper ist ein Ideen-Drama nach dem alten Puppenspiel: Faust sucht vergeblich nach Vollendung.
In einem Jahr eröffnen Sie schon wieder die Festspiele.
Da singe ich Telramund im neuen „Lohengrin“ mit Jonas Kaufmann in der Titelrolle. Ich kenne ihn noch vom Studium: Wir waren beide Schüler von Josef Metternich, dem ich viel verdanke. Später habe ich mir bei Gianni Raimondi italienischen Schliff geholt. Meine Traumrolle ist „Simon Boccanegra“. Ich bin vielseitig einsetzbar. Nur französische Partien singe ich nicht, weil ich die Sprache nicht spreche.
Was machen Sie, wenn Sie nicht auf der Bühne stehen? Langweilig wird mir nicht: Ich ruhe mich aus.
Robert Braunmüller
Nicolas Briegers Inszenierung hat am 28. Juni um 18.30 Uhr im Nationaltheater Premiere. Es dirigiert Tomáš Netopil. Weitere Vorstellungen am 3. und 7. Juli sowie im Dezember