Die Sprache der Straße
Wer New York kennen will, muss Richard Price lesen. Morgen kommt der Autor ins Münchner Amerika Haus und liest aus „Cash“ – einem Kriminalroman, der nicht in der Finanzwelt spielt
Um zwei möglichen Missverständnissen gleich den Saft abzudrehen: Weder ist „Cash“ der Roman zur allgegenwärtigen Finanzkrise, noch ist sein Autor eine Neuentdeckung, wie es der mit prominenten Referenz-Namen (Martin Scorsese, Spike Lee, Al Pacino) gespickte Klappentext suggeriert.
Tatsächlich schreibt der in der Bronx aufgewachsene Richard Price seit seinem 25. Lebensjahr – bisher acht Romane („Söhne der Nacht“), sehr erfolgreich Drehbücher für Hollywood („Clockers“), aber auch preisgekrönt für TV-Serien („The Wire“). Sein Thema sind die Straßen von New York – Drogen, Gewalt, Banden und die Arbeit der Polizei.
Wer sieht so genau hin und riecht hinein in die Straßenschluchten?
Richard Price’ deutscher Verlag – es ist mittlerweile der dritte, der eine Teilhabe an seinem Erfolg in Amerika versucht – kolportiert nun, Barack Obama habe „Lush Life“ kurz nach Erscheinen des Originals 2008 gelesen, um sich über die Zustände in der „Hauptstadt der Welt“ zu informieren. Die präsidiale Erwähnung wird den 60-jährigen Schriftsteller genauso gefreut haben wie damals Walter Mosley, als Bill Clinton ihn als seinen Lieblingskrimiautoren bezeichnete. So ein Fingerzeig von höchster Stelle zahlt sich für einen Autoren in barer Münze aus.
„Cash“, benannt nach dem schriftstellernden Barkeeper Eric Cash aus dem angesagten „Café Berkmann“, spielt in der Lower East Side von New York, dem „jiddischen Boomtown des 19. Jahrhunderts“. 2002, im Jahr der Handlung, wird das Viertel von einer bunten Mischung aus Schwarzen und Weißen, Chinesen und Latinos bevölkert.
Auch beim New York Police Department (NYPD) tun Beamte aller Hautfarben und Herkunftsländer Dienst, und die Cops haben einen schwierigen Fall zu lösen: In der Eldridge Street 27 wird Issac Marcus, ein Arbeitskollege des 35-jährigen Cash, von zwei dunkelhäutigen Jugendlichen überfallen und erschossen. Zeugen des Überfalls verwickeln sich in Widersprüche, zunächst verdächtigen die Cops Cash selbst der Tat, dann führen alle Spuren tief in den Sumpf jugendlicher Gewaltbereitschaft.
Fast durchweg in packender Dialogform geschrieben, die Miriam Mandelkow mit Bravour ins Deutsche übertragen hat, entwickelt Richard Price aus der Aufklärung des Mordfalls einen durchweg unparteiischen Streifzug durch die Lower East Side.
Seit Henry Roths einmaligem Roman „Call it Sleep“ (Nenn’ es Schlaf) aus dem Jahr 1934 haben nur wenige Autoren so genau hingesehen und reingerochen in die Schluchten im Süden Manhattans wie jetzt Price. Der Autor mit dem untrüglichen Gespür für die Sprache der Straße erweist sich hier als Meister des authentischen Dialogs und der Spannung.
Nur noch ein Wort zur Umschlaggestaltung: Zwei Brücken führen über den East River in die Lower East Side – die Williamsburg und die Manhattan Bridge. Von daher ist die Abbildung der berühmten Brooklyn Bridge in diesem Fall ein glatter Fehlgriff.
Reinhard Helling
Richard Price: „Cash“ (S. Fischer, 525 S., 19.95 Euro). Der Autor liest morgen, 2. Juni, 20 Uhr im Amerika Haus München, Karolinenplatz 3