Die spinnen, die Römer

Circus Maximus in der Olympiahalle: Das Mega-Spektakel „Ben Hur live“ kommt mit sportlichen Akteuren und herrlichen Pferden für vier Vorstellungen an zwei Tagen nach München
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Circus Maximus in der Olympiahalle: Das Mega-Spektakel „Ben Hur live“ kommt mit sportlichen Akteuren und herrlichen Pferden für vier Vorstellungen an zwei Tagen nach München

Da ringen große Mächte miteinander auf 40 mal 70 Metern spezialsandbedeckter Arena: Nicht nur Ben Hur und Messala, die Helden der Geschichte um Liebe und Verlust, Rache und Vergebung. Auch ein unsichtbarer Power-Event-Riese, der Pferde rasen und Blut spritzen lässt, sowie ein Kultur-Geist-Monster, das uns was vom Mann aus Nazareth erzählt, duellieren sich aufs Schärfste. Viele Aufmärsche, eine Seeschlacht und ein Wagenrennen später kann man sagen: Das Event-Monster gewinnt.

„Ben Hur live“, die größte Hallenshow aller Zeiten (AZ berichtete), nimmt nach der Deutschland-Premiere vor gut drei Wochen in Hamburg Kurs auf München. Der Superlativ gründet auf technischen Daten: 400 Akteure, 35 herrliche Rösser, Federtier von Tauben bis Falken, 30 Tonnen Licht- und 25 Tonnen Tonanlagen und, und, und. „Wir haben hier das Drei- bis Vierfache einer einer großen Stadion-Rock-Produktion zu stemmen“, sagt der Münchner Initiator und Veranstalter Franz Abraham, der seit 15 Jahren die Ben-Hur-Idee mit sich herumtrug, um sie nun in einer logistischen Meisterleistung in knapp zwei Jahren auf die sandalenbewehrten Füße zu stellen.

Im Riesenformat

Abraham, der Spezialist für Hochkultur im Arena-Format („Carmina Burana“, „Aida on Fire“) , muss sein „Monumental“ Ben Hur über die Größe verkaufen. Andererseits legt er Wert auf Gegengewichte: „Das ist das kleinstmögliche Format, um ein Wagenrennen in Highspeed aufzuführen.“ Auch kann der zum Katholizismus zurückgekehrte Agnostiker vielfach begründen, warum es im Grunde um „Jesus als ethische Universalgestalt“ gehe und warum man „bewusst kein missionarisches Stück“ habe machen wollen.

Dabei ist der zugrunde liegende Roman von 1880 eine ziemliche Schmonzette und der Kinofilm von 1959 mit Charlton Heston auch nur teilweise eine Hilfe, weil er der Menschheit das Bild vom nervenzerfetzenden Wagenrennen in den Kopf gesetzt hat.

Opulent

Es geht, um das nun auch endlich mal zu erwähnen, um den jüdischen Prinzen Judah Ben Hur, der in der Zeit um Jesus Christus Geburt des versuchten Mordes angeklagt und dabei von seinem besten Freund Messala im Stich gelassen wird. Er verliert Familie und Freundin, kommt als Sklave auf die Galeere, wo er sich durch viele Abenteuer bis in den Stand eines römischen Adligen hochkämpft. Zurück im Morgenland, duelliert er sich mit seinem Ex-Freund beim Wagenrennen, gewinnt alles zurück und wandelt seine Rache in Liebe um. Halleluja!

Um es gleich zu sagen: Das Epos als Zwei-Stunden-Show – es funktioniert. Das Wagenrennen vorneweg, bei dem fünf Quadrigen um die Kurven fegen wie Sandbahn-Biker, aber auch die opulenten Massenszenen, bei denen man kaum weiß, wohin zuerst mit den Augen: ein Mischung aus Riesenpanorama und Wimmelbild in natura. Die Geschichte wird erzählt in 15 Tableaus, das Tempo der Kulissen- und Szenenwechsel ist atemberaubend, und spätestens, wenn bei der Seeschlacht die Piraten auf Quad-Bikes um die Schiffe rasen, fragt man sich ehrfürchtig und bang: Was, wenn hier einer mal die falsche Kurve nimmt? Zirzensisch gesehen ist das alles Weltklasse.

In den Originalsprachen mit Erzähler

Gesprochen und gesungen wird nur auf Latein und Aramäisch, was originale Atmosphäre erzeugen soll und manchmal vielleicht auch erzeugt. Damit die Handlung trotzdem verständlich bleibt, läuft Ben Becker mit Homburger Hut als Erzähler nebenher – sein Bass macht vieles klarer und zieht manches ins Alberne. Eine Enttäuschung ist die groß angekündigte Musik von Police-Schlagzeuger Stewart Copeland: Fast nur Fortissimo, immerzu hocherregtes Getöse und darin korrelierend mit Becker. Da spinnt der Römer.

So ist „Ben Hur live“ viel Circus Maximus, ein bisschen Mad Max – und manchmal ein wenig Monty Python. Eine amüsante Mischung, sofern man das Spektakel als Ganzes sieht. Etwas irritierend ist der Schlusssatz, als der Held im Glück zerfließt: „Von dem Tage an war Juda Ben Hur ein Jünger Jesus Christus.“ Da muss man schon sehr katholisch sein, um das nicht missionarisch zu finden.

Michael Grill

Olympiahalle, 30.10. (15.30 und 20.30 Uhr) sowie 31.10. (15 und 20 Uhr), Tickets für 35 bis 128 Euro über Tel. 01805/570200

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