Die sich hinter dem Regenbogen stylen
Aus Männern werden Diven: Das Gastspiel „Gardenia” in den Kammerspielen
Ravels Boléro, dieses ram-ta-ta-ta-tam, baute schon immer diese Spannung auf, ein andauerndes, verführerisches Vorspiel. Dazu beginnt einer der Männer auf der Bühne der Kammerspiele sich zu schminken, Schicht auf Schicht, und bald verwandeln sich alle endgültig in schillernde Ladys, eine Metamorphose von Herren in Anzügen zu Diven in Kostümen, an die Minnelli, die Dietrich erinnernd, für die allerletzte Show des „Gardenia”- Kabaretts. Eine Abschiedsnummer, glitzernd, im Abendgrauen der Melancholie.
Als Greise tattern sie auf die Bühne, der große Bluff zu Beginn. Auch Vanessa Van Durme ist dabei und singt „Somewhere Over the Rainbow”, so tief, wie es Judy Garland niemals gekonnt hätte. Eine Show jenseits des Regenbogens verspricht die Performance „Gardenia”, von der 62-jährigen transsexuellen Van Durme initiiert und mit dem belgischen Choreographen Alain Platel und Musicalregisseur Frank Van Laecke verwirklicht. Platel soll demnächst an den Kammerspielen regelmäßig inszenieren – das Gastspiel von „Gardenia” gab einen Vorgeschmack auf ihn.
Derbe Schwulenwitze und traurige Volkslieder
Conférencier Van Durme weckte in die Jahre gekommene Show-Kompagnons, sechs Transsexuelle und Transvestiten, aus ihrem Dornröschenschlaf und lässt sie nun zusammen mit einem jungen Russen und einer „echten” Frau Fummel tragen, Revuelieder lippensynchron aufleben, Kontaktanzeigen sprechen. Dazu derbe Schwulenwitze und eine Show-Nummer des beweglichen Russen sowie ein trauriges Volkslied aus seiner Heimat. Viel mehr gab es nicht. Die Sehgewohnheiten durchbrechen, alte Körper zeigen, glamourös gekleidet, im Kontrast zur agilen Jugend, ist keine schlechte Idee, aber wenn das alles ist, möchte sich im Kopf zum Thema Alter oder Transgender wenig bewegen. Van Durme wollte nicht, dass ihre Helden von ihrem Leben berichten, aber so wurde außer dem Ausstellen der Körper rein gar nichts riskiert.
Nicht nur beim Freeze zum Gruppenfoto einer schrecklich netten Show-Familie wurden aus Menschen Statuen, Schaufensterpuppen, amüsant anzuschauen, beschaulich. Ravels Boléro steuert anschwellend auf einen Höhepunkt zu. „Gardenia” war dagegen ein schlaffer Abend.
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