Die Schumanns erschufen ihr eigenes "Markenzeichen"

Über kaum ein Künstlerpaar gibt es so viele persönliche Dokumente wie über Clara und Robert Schumann. Das Musiker-Ehepaar hinterließ etwa 20 000 Briefe mit mehr als 1000 Briefpartnern. Sie werden noch bis 2025 als Edition veröffentlicht. Am Montag hat Robert Schumann seinen 210. Geburtstag
von  dpa
Ein Doppelportrait des Musiker-Ehepaars Clara und Robert Schumann im Schumann Haus in Leipzig.
Ein Doppelportrait des Musiker-Ehepaars Clara und Robert Schumann im Schumann Haus in Leipzig. © Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/dpa

Dresden - Die wissenschaftliche Aufarbeitung des umfangreichen Briefwechsels des Komponisten Robert Schumann (1810-1856) und seiner Frau Clara Schumann (1819-1896) hat neue Erkenntnisse zu privaten Lebensumständen des Ehepaares erbracht. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur spricht Herausgeber Michael Heinemann über bisherige Ergebnisse des noch bis 2025 dauernden Projektes.

Frage: Was sagen die Briefe über ihre Verfasser aus? Bringen sie uns die Schumanns als modernes Paar nahe?

Antwort: Charakteristisch ist die strategische Planung eines Selbstentwurfs, also die Konstruktion eines Bildes in der Öffentlichkeit. Das ist fast schon die Etablierung der Schumanns als "Markenzeichen": Robert nutzt die hohe Popularität von Clara Wieck, um seine "neue Musik in der Öffentlichkeit zu platzieren. Und Clara erhält und kultiviert ein Alleinstellungsmerkmal als authentische Interpretin der Werke ihres Mannes. Insofern arbeiten sie an einem gemeinsamen Projekt, dem Clara Schumann – insbesondere nach dem Tod ihres Mannes – allerdings auch ihr Privatleben unterordnet. Die Modernität im Erwerbsleben korrespondiert mit einer konservativen Grundhaltung - in Fragen der Lebensführung, aber auch der Kunst - die bei Clara Schumann im Laufe des Lebens immer stärker wird.

Frage: Was ist das eigentlich Überraschende an dem Briefwechsel für Sie als Wissenschaftler?

Antwort: Bei Robert Schumann ist es der hohe Stellenwert, den die Familie in seinem Leben einnahm. Der Briefwechsel mit seiner Mutter Christine erlaubt ein neues und vertieftes Verständnis für seine Entscheidung zum Musikerberuf. Die Korrespondenzen mit dem Bruder Carl zeigen, dass ohne die Hilfe der Familie eine Karriere zunächst als Pianist, dann auch als Komponist gar nicht möglich gewesen wäre. Überraschend ist gerade in der Familienkorrespondenz die Offenheit der Gedanken und auch der Emotionen - nicht zuletzt gegenüber den Schwägerinnen. Hinzu kommt sein taktisches Geschick im Umgang mit Verlegern, aber auch die Auseinandersetzungen mit Claras Vater Friedrich Wieck vor der Hochzeit.

Frage: Was mach das Besondere bei Clara Schumann aus? Sie hatte ihre Karriere als Pianistin und sieben Kinder unter einen Hut zu bringen.

Antwort: Die unglaublich große logistische Kompetenz in der Strukturierung des Familienlebens, aber auch die nüchterne Konsequenz, mit der die eigene Karriere verfolgt wurde. Clara Schumann ist nach dem Tod ihres Mannes die unangefochtene Chefin eines "Projekts Schumanns" – der Pflege des Werkes von Robert Schumann, aber auch seiner Stilisierung und dem Versuch, eine Interpretationshaltung verbindlich zu machen. In der Korrespondenz mit den Kindern und Enkeln ist Clara Schumann nicht nur mütterlich dominant, sondern oft autoritär und mitunter sogar übergriffig, wenn es um Ausbildung und Lebensentwürfe geht.

Frage: Mit wie vielen Menschen pflegten Schumann und seine Frau regelmäßig Briefkontakte?

Antwort: Die Schumann-Briefedition bietet etwa 1200 Korrespondenzen, die Clara und Robert Schumann mit Verwandten, Freunden, Verlegern und Künstlerkollegen führten – allerdings in sehr unterschiedlicher Intensität. Neben vereinzelten Zuschriften finden sich umfassende Briefwechsel mit Johannes Brahms, Joseph Joachim oder dem Verlag Breitkopf & Härtel, die Hunderte von Schriftstücken umfassen und über Jahrzehnte geführt wurden. Auffällig ist, dass Fragen von Ästhetik und Musikanschauung vornehmlich von Robert Schumann in Briefwechseln mit Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt oder Richard Wagner thematisiert werden – Korrespondenzen, die Clara Schumann nach dem Tod ihres Mannes vornehmlich aus Zeitgründen nicht mehr weiterführte.

ZUR PERSON: Michael Heinemann (61) ist Professor für Musikwissenschaften an der Musikhochschule Dresden und leitet die Herausgabe der Briefedition von Robert und Clara Schumann.

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