Die Rückkehr der Schnösel
Das Freiherr-zu-Guttenberg-Symptom: Der Adel greift wieder nach der Macht – auf allen gesellschaftlichen Gebieten
Eigentlich hielten wir sie für enthauptet, enteignet oder zumindest stilvoll verarmt. Der Adel schien auf sein natürliches Revier, die Pferde- und Jagdzeitschriften, beschränkt, auf Fotostorys in Reitstiefeln vor dem lodernden Kaminfeuer. Weit und breit kein kosmopolitisches Dandytum. Selbst die bürgerliche Variante, der Westentaschen-Einstecktuch-Schnösel, schien ausgestorben. Und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis stylte sich als Punk.
Als dann 1989 noch der marode Arbeiterstaat im Osten seine Aufnahme erbat, schien die gesamtdeutsche Zukunft proletarisch mit Bouletten und Currywurst als Staatskultur. Kanzler Schröder („Hol mir mal ’ne Flasche Bier“) aß gerne mit. Doch es kam ganz anders. An allen Fronten.
Im Feuilleton hat das blaue Blut längst die Macht übernommen
Zuerst natürlich auf dem bis dato von verkrachten Existenzen bevölkerten Medienmarkt. In ihrem Buch „Tristesse Royale“ führten Christian Kracht, Joachim Bessing, Eckhart Nickel, Alexander von Schönburg und Benjamin von Stuckrad-Barre schon 1999 vor, dass für Literaten die Wahl der Kleidung wichtiger als die der Worte ist. Dann entdeckte ausgerechnet Katharina Isabel Habsburg-Lothringen-Kyburg, gebürtige Katharina Isabel Gräfin von Hardenberg, (für ihre Medienfreunde kurz Tita), den Charme ostdeutscher Plattenbauten und mit Sperrmüll möblierter Jugendcafés. Das genügte für die ARD-Szene-Sendung „Polylux“, die nächtlich vorführte, wie man Trends hinterherlaufen kann.
Ein symptomatischer Ausbruch aus dem Stil-Ghetto ihrer Standesgenossen, die auf einmal die (kurzzeitig verachtete) Herkunft als Marktlücke entdeckten: Die „steife Oberlippe“ lernt man schließlich nicht beim Flaschenbier vor den Trinkhallen der Fußballrepublik.
Der Trend kam aus dem Morgenland
Alexander von Schönburg behauptete, dass Eleganz keine Frage des Geldes ist. Seine „Kunst des stilvollen Verarmens“ war mit 17,90 Euro eine gute Idee für den ungeschriebenen Untertitel: Wie man ohne Sozialneid die Kohle einfährt. Auch die volksnahe Taschenbuchausgabe blieb mit 8,95 Euro günstiger als jedes Burberry-Einstecktuch beim Herrenausstatter.
Ein Schwarzer in feinem Diplomaten-Tuch aus dem Morgenlande, Prinz Asfa-Wossen Asserate aus Äthiopien, brachte 2003 den Deutschen mit seinem Buch „Manieren“ wieder das Essen mit Messer und Gabel bei. Auch Moritz Freiherr Knigge vergoldete seinen illustren Namen mit neuen Verhaltenstipps und vielen Talkshow-Auftritten. Und die Fünfseenland-Schnösel „Die Stehkrägen“ drehten das Thema Sozialneid auf ihrem Debüt-Album „Aggro Grünwald“ um 180 Grad um und sangen: „Eure Armut kotzt uns an.“
Zur Re-Aristokratisierung gesellte sich der deutsche Oscar unseres Grafen Henckel von Donnersmarck, der von oben auf „Das Leben der Anderen“ blickte und den Bayerischen Verdienstorden in der (fast) letzten Amtshandlung von Edmund Stoiber entgegen nahm. Der Millionen-Erfolg der „Buddenbrooks“ im Kino ist eine Feier des guten alten Dünkels. Und mit „Effi Briest“ kommt auch markiger preußischer Landadel wieder zu Geltung.
Der Trend passt in die Politik. Längst ist die nivellierte Mittelstandsgesellschaft nur noch ein ausgedienter Begriff aus alten Sozialkundebüchern, in der rauen Wirklichkeit zerfällt das Volk wieder in zwei Klassen. Kulinarisch ausgedrückt: Dosenbier oder Paris-Hilton-Prosecco für die Massen, Champagner für die Kultur-Snobs in roten Premieren-Hosen.
Protz in Potsdam
Ist es ein Zufall, dass die „Bild“ vom stets gel-glänzenden „Protzdamer“ Kai Diekmann geführt wird? Dass selbst im Prekariats-Medium Fernsehen der Dünkel an Einfluss gewinnt? Felicitas von Lovenberg, „FAZ“-Premiumstute aus Schirrmachers elitärem Feuilletonisten-Stall, bekam eine Literatursendung. Und die populäre (auch gerne mal derbe) Elke Heidenreich wird im ZDF durch den Weinschmecker Ijoma Mangold (und Amelie Fried) ersetzt.
Das alles aber war nur die Vorhut für den wirklich großen Umschwung: die Machtübernahme der Schnösel. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg stieg quasi über Nacht vom Führer eines Haushaltes mit Dienern und Köchen zum Wirtschaftsführer einen 80 Millionen Volkes auf. Und sollte in naher Zukunft „Kaffee-Gräfin“ Stephanie von Pfuel als Bundespräsidentin Staatsgäste beim Landausflug aus dem Manufactum-Picknickkorb verwöhnen, so reiben Sie sich bitte nicht die Augen: Wir haben Sie schließlich gewarnt!
adp/vi
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