Die Reise einer Tugendboldin

Am Samstag beginnen die Salzburger Festspiele. Zur Eröffnung inszeniert Christof Loy im Großen Festspielhaus Händels Oratorium „Theodora“
von  Abendzeitung

Am Samstag beginnen die Salzburger Festspiele. Zur Eröffnung inszeniert Christof Loy im Großen Festspielhaus Händels Oratorium „Theodora“

Die Damen werden nicht kommen, weil es eine tugendhafte Geschichte ist“, fürchtete der Komponist. Er behielt recht: Nur zwei Wiederholungen folgten der Uraufführung von „Theodora“, die 1750 in London stattfand. Auch für die szenische Aufführung der Salzburger Festspiele sind noch Karten im Angebot.

Ein Händel-Forscher nannte die Titelheldin „eine der unerträglichsten Tugendboldinnen der Literatur“. In Salzburg setzen sich zwei in München bestens bekannte Köpfe mit dieser Figur auseinander: Ivor Bolton dirigiert das Freiburger Barockorchester, Regisseur ist Christof Loy, der zuletzt Donizettis „Lucrezia Borgia“ am Nationaltheater inszenierte.

Existenzielle Fragen

Auch Loy gibt zu, dass ihm die Geschichte von der frühchristlichen Märtyrerin Kopfschmerzen bereitete: „Ich habe vor allem die Stationen in der Entwicklung dieser Figur betrachtet. Da stößt man schnell darauf, dass Theodora nicht wie die Jungfrau von Orléans heroisch den Weg des Glaubens beschreitet“, erklärt der Regisseur. „Wir verfolgen die berührende Reise einer jungen Frau, die anfangs wie ein Kind wirkt, das den Glauben nicht hinterfragt.“

Für Loy stellt das Oratorium existenzielle Fragen: „Wie gehe ich durch das Leben? Welche Verantwortung trage ich gegenüber meinen Mitmenschen, wenn ich mein Diesseits ganz auf das Jenseits ausrichte? Das ist gewiss ein etwas mühsames Thema, aber eines, das jeden von uns angeht, verbunden mit einer sehr zarten Liebesgeschichte.“

Die beiden Pole des Menschen

Der Chor hat in diesem Werk keine leichte Aufgabe: Er stellt sowohl Heiden wie Christen dar. „Natürlich ließe sich die Geschichte nach Oberbayern verlegen und als Geschichte einer kleinen Gruppe von Menschen erzählen, die eine andere Lebensform einführen will“, sagt Loy. „Aber auf schnelle Zuordnungen wollte ich nicht hinaus. Ich möchte zeigen, dass jeder Mensch beide Pole in sich trägt: innere Einkehr und das Leben im Hier und Jetzt.“

Zu Händels Zeit bezog sich der Gegensatz zwischen Oper und Oratorium vor allem auf den Unterschied zwischen einem antik-mythologischen und einem biblisch-christlichen Stoff. „Fast alle Oratorien haben eine dramatische Handlung. Sie waren kein pures Konzert, denn die Partituren enthalten oft Szenenanweisungen.“ Deshalb liegt eine szenische Aufführung nahe, wie sie der Regisseur Peter Sellars 1996 in Glyndebourne unternahm. Seit damals wird das lange vernachlässigte Werk wieder öfter gespielt.

Loy wirkt zwei Tage vor der Premiere entspannt: „Nach der Generalprobe überkommt mich immer eine leichte Trauer, wie auf den letzten Seiten eines interessanten Buchs. Die Proben waren auch diesmal der glückhafte Prozess einer Annäherung unter Menschen. Es ist schade, wenn eine solche Zeit zu Ende geht.“

Robert Braunmüller

Großes Festspielhaus, 25., 31. 7., 6., 9., 16., 21., 28. 8., 18.30 Uhr

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