Die "Piraten von Penzance" am Gärtnerplatz

Überraschungssieg mit dem Enterhaken: Jubel für die Operette von Gilbert und Sullivan
von  Abendzeitung

Überraschungssieg mit dem Enterhaken: Jubel für die Operette von Gilbert und Sullivan

Die Operetten des englischen Teams William Schwenck Gilbert (Text) und Arthur Sullivan (Musik) teilen das Schicksal der Spielopern Lortzings: Wohl ebenso selten wie man "Waffenschmied" oder "Wildschütz" auf einer Bühne ausserhalb des deutschen Sprachraums begegnet, finden sich "Die Piraten von Penzance" auf heimischen Spielplänen. Warum das so ist: Sie fordern Experten heraus.

Keine leichte Aufgabe also für den Regisseur Holger Seitz. Die Torte im Gesicht eines anderen ist eine todsichere Pointe. Aber wer lacht schon gerne über sich selbst? Und manches ist eben doch ziemlich britisch: Etwa die Absicht des Piratenlehrlings Frederic, nach Abschluss der Lehrzeit auf die Seite der Guten zu wechseln und als Polizist seine ehemaligen Freibeuter-Kumpel gnadenlos zu entern.

So etwas kann man als überdrehten Klamauk inszenieren oder den heilsamen Kräften des Textes und einer spöttischen Wohlfühl-Musik vertrauen. Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting hatten für eine angemessene Übersetzung gesorgt. Berufstypische Klagen englischer Bobbys wie "When a felon's not engaged in his employement" münden am Gärtnerplatz in die zutreffende Erkenntnis: "Polizist sein ist wahrhaftig kein Genuss." Man bekam richtig Mitleid.

Dass sich die Regie altmodischer Arrangements bedient, Chor und Solisten immer wieder an die Rampe bittet, das Bühnenbild (Herbert Buckmiller) geradezu aufreizend bieder ist, erhöht nur den Spass. Denn so erhalten die Attacken zusätzliche Munition. Wenn inmitten bunter Bühnen-Pappe der Sopran eine "Traviata"-Koloratur jodelt und im Duett mit dem Liebsten Beethovens "Fidelio" zitiert, dann ist das auch ausserhalb des Faschings eine Riesen-Gaudi.

Alle amüsierten sich: Dirigent Anthony Bramall, das gesamte Solisten-Ensemble, voran der herrlich schrullige Gunter Sonneson als Generalmajor Stanley, Chor und Orchester - und nicht zu vergessen das Publikum. Das jubelte, als ob der FC Bayern Deutscher Meister geworden wäre.

Volker Boser

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