Die perfide Folter des Harmlosen
Trautes Heim? Bloß nicht! Die Sammlung Goetz zeigt eine verblüffende Schau der libanesischen Künstlerin Mona Hatoum
Es gibt sie noch, die guten Dinge. Und – das weiß die gute Hausfrau natürlich – sie sind gefährlicher als man denkt. Lebensbedrohlich sogar. Zumindest, wenn Mona Hatoum mit von der Partie im kunstvollen Küchenspiel ist. Dann steht die Knoblauchpresse unter Strom, der Gurkenhobel und erst recht der Fleischwolf. Die Spannung ist greifbar, es „spreizelt“ hörbar durch die Räume der Sammlung Goetz – dort wird derzeit eine im wahrsten Wortsinn spannende Retrospektive der britisch-libanesischen Künstlerin gezeigt.
Überhaupt ist hier viel Haushalt im Spiel, eine Firma wie Kustermann könnte einem als Sponsor in den Sinn kommen. Doch Hatoum beschwört hier geradezu das Unheil im Nützlichen, Einfachen, Harmlosen. Aus den Öffnungen eines schlichten Email-Seihers ragen Schrauben wie gemeine Stacheln, die präparierte Schöpfkelle daneben entpuppt sich als brutale Waffe. Und auch der überdimensionale Eierschneider könnte als Guillotine der perfiden Art tranchieren. Dagegen sind die Schöpfkellen und Schneebesen, die Reiben und Trichter der Arbeit „Home“ (1999) hübsche kleine Utensilien. Wären da nicht die Drähte, die den Besucher in sicherem Abstand halten, und dieses laute Summen des Stroms, das auch den Raum mit der Weltkugel „Hot Spot III“ dominiert.
Kunst mit vollem Körpereinsatz
Der Globus steht noch nicht in Flammen, aber durch rote Leuchtbänder, die die Kontinente konturieren, wird schnell klar, dass die Welt nur noch aus Brennpunkten besteht. Jeden Moment irgendwo eine Bombe hochgehen kann, was auch immer.
Die hochpolitische Mona Hatoum dringt hier noch einmal durch diese späte Arbeit aus dem Jahr 2009. 1975, in London, machte sich die junge Libanesin mit christlich-palästinensischem Hintergrund ganz anders Luft. In ihrer Heimat war Krieg, zurückzukehren unmöglich. Hatoum studierte Kunst und schuf ihre eigene mit vollem Körpereinsatz. Durch diese Performances wurde die mittlerweile 59-Jährige schnell bekannt: Nackt unter einer Frischhaltefolie in Tierdärme gehüllt legte sie sich stundenlang auf einen Tisch – eine verschreckende Anspielung auf die Nahost-Verhandlungen. Hatoum band sich aber auch Doc-Martens-Springerstiefel an die Fersen, um damit durch London zu schlurfen – observiert, verfolgt, bedroht von einer obskuren Macht. Die im Falle eines Falles dann doch leicht auszumachen ist.
Durch Hatoums spätes Werk zieht sich eine feine Ironie
Mehr noch berührt das Video „Changing Parts“ (1984), das die Künstlerin unter einer Dusche zeigt. Zu Einspielungen aus Bachs vierter Cello-Suite sieht man die schrapplig gewordenen sanitären Errungenschaften der Neuzeit, dann stört das Rauschen eines Radios die Szene, Kriegsnachrichten sind auszumachen, und die Duschkabine – Blut verschmiert jetzt die Scheiben – wird zum Gefängnis, aus dem kein Entkommen möglich ist.
In den letzten Jahren trat Hatoum mehr und mehr hinter ihre Kunst, Ruhe und Distanz sind eingekehrt, die Verletzungen zu Optionen geworden. Ihre Objekte gehen Umwege, werden erst in der Transformation zu Waffen, lassen ganz unterschiedliche Assoziationen zu. Und sind immer wieder von einer subtilen Ironie durchzogen.
Sammlung Goetz, Oberföhringer Str. 103, bis 5. April 2012, Montag bis Freitag 14 bis 18, Samstag 11 bis 16 Uhr; um Anmeldung unter Tel.95939690 wird gebeten, der Eintritt ist frei
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