Die Mythe schwurbelt

Die Uraufführung von Jay Schwartz’ „Narcissus und Echo“ in der Allerheiligenhofkirche als erste Premiere der Opernfestspiele
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Die Uraufführung von Jay Schwartz’ „Narcissus und Echo“ in der Allerheiligenhofkirche als erste Premiere der Opernfestspiele

Acht Frauen leiden: Ihr Leben ist ohne Sinn, weil kein Mann sie begehrt. Der einzig greifbare Kerl neigt zur Männerliebe und überwindet heroisch sich selbst. Während die Frauen nur wegschlummern, ereilt ihn ein Heldenschicksal aus Tod und Verklärung.

Das ist, mit Verlaub, Quark aus der präfeministischen Ära, auch wenn die gesprochenen Texte von Marguerite Duras und Simone de Beauvoir herrührten. Diese ranzigen Zutaten der Regisseurin Christiane Pohle klebten allerdings die kaum zur Bühne drängende Musik von Jay Schwartz zu einer Ahnung von Theater zusammen. Acht verhärmte, mit dem Sortieren und Wässern zuletzt massenhaft erblühender Narzissenzwiebeln beschäftigte Wesen erdeten das lateinische Mythengeschwurbel. Die Aufführung bekam so einen beachtlichen Rhythmus.

Singende Gläser

Schwartz lotet Einzeltöne aus und entlockt der Solo-Bratsche (Lila Brown) Erstaunliches zwischen Melancholie, herber Attacke und maultrommelartigem Sirren. In höchster Lage changierte sie zwischen Elektronik und Äolsharfe. Zwei Schlagzeuger und eine Orgel fügten weitere Farben hinzu. Die singenden Gläser wirkten in der Episode mit dem Spiegelbild allerdings vordergründig illustrativ.

Mehr Mut bitte!

Nicht ganz so erwartbar kam ein boleromäßiger Trommelmarsch daher. Da steigerte sich die Liebesverweigerung in blanken Terror und übertönte den Gesang des stets todtraurig dreinschauenden Charles Maxwell. Die Counter-Partie zitiert den Gestus frühbarocker Lamenti, deren emotionale Unmittelbarkeit jedoch durch den unverständlichen Text wieder heruntergekühlt wurde.

Schwartz interessierte sich für Narcissus, Pohle für ihr achtfaches Echo. Theater drängt aber zur Eindeutigkeit. So wirkte der Abend unentschieden, statt vieldeutig zu irisieren. Über eine Kostüm-Andeutung hinaus verfolgte die Regie die Möglichkeit nicht, die Bratschistin als Erscheinungform von Echo zu deuten. Da half es wenig, dass der Kirchenraum gut genutzt wurde. Ob der Anverwandlung alter Musik drängte sich immer wieder die Erinnerung an den in München vernachlässigten Salvatore Sciarrino auf. Manchmal wäre es besser, Erprobtes nachzuspielen, statt sich mit unausgegorenen Urauffführungen zu schmücken.

Robert Braunmüller

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