Die Modell-Stadt am Fließband
Eine Ausstellung über das mährische Zlin, das unter dem Schuhfabrikanten Tomás Bat’a zum Paradebeispiel einer funktionalen Stadt wurde, im Architekturmuseum der Technischen Universität in der Pinakothek der Moderne
"Ich erkenne nur eine Organisation an, und das ist mein Unternehmen.“ Der tschechische Schuhfabrikant Tomás Bat’a (1876-1932) liebte markige Sprüche ebenso wie die ständige Effizienzsteigerung in seiner Firma – und sorgte dafür, dass sich viele andere danach richteten. Rund um seine Fabrik im mährischen Zlín entstand zwischen den beiden Weltkriegen eine funktionale Stadt mit der Trennung von arbeiten, wohnen, Erholung und Verkehr. Sogar der Chefdenker der Moderne, Le Corbusier, lobte Zlín unkritisch-enthusiastisch als „leuchtendes Phänomen“ und diente sich dessen Erbauer ebenso hartnäckig wie erfolglos als Architekt an. Darum ist Bat’a nun ein Fall fürs TU-Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne, das die exemplarische Fabrik-Stadt jetzt in einer umfassenden Ausstellung präsentiert.
Tomás Bat’a war ein Firmenpatriarch und Kapitalist par excellence, der anfangs mit seinen Geschwistern aus einer kleinen Schuhmacherfirma ein bereits in den 1930er Jahren global aufgestelltes Unternehmen mit europa- und sogar weltweiten Satelliten machte. Ein Meilenstein bei Bat’as Expansion war die Tatsache, dass er im Erstem Weltkrieg den Auftrag ergattert hatte, Stiefel für das österreichische Heer zu liefern. Nach seinem Besuch 1919 in den Ford-Werken in Detroit führte er Akkord- und Fließbandarbeit ein. Sein futuristisches Aufzugs-Büro konnte in jedem Stockwerk der Firmenzentrale andocken. Und seine zukünftigen Führungskräfte ließ er in einer kasernenartigen Kaderschmiede zu Elite- „Thomasianern“ heranzüchten. „Seid nicht aus Glas, sondern aus Stahl“, empfahl er, nahe dem Ungeist seiner Zeit.
Eine Stadt der Vernunft
Er unterwarf die Stadtplanung rein rationellen Gesichtspunkten. Das neue Zlín, das zwischen 1900 und 1938 von 3000 auf 43000 Einwohner wuchs, basierte auf dem für den Stahlbetonskelettbau praktischen Raster von 6,15 x 6,15 Metern. Damit ließ er Wohnhäuser, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Kinos und Sportstätten errichten. Was dadurch erleichtert wurde, dass Bat’a ab 1923 auch Zlíns Bürgermeister war.
Der Beweggrund für seine Neuerungen war nicht Weltverbesserungswille. Bat’a hatte vielmehr Henry Fords Erkenntnis verinnerlicht, dass man mit satten, zufriedenen Arbeitern besser und schneller produzieren kann. Darum schuf er in Zlín keine demokratische Kommune, sondern ein sich fast totalitär über alle Lebensbereiche erstreckendes System, das allein dem Profit der Marke diente. Und die Architektur machte er gewieft zum Markenzeichen: Bat’a- Geschäftshäuser hoben sich europaweit durch ihre modernistische Formensprache ab.
Rasant auf und ab
Bat’as Leben wirkt wie von Orwell erfunden, es endete so rasant, wie es für ihn stets aufwärts ging: Er starb 1932 beim Absturz seines Privatflugzeugs, die Unglücksmaschine wurde im Bat’a-Memorial in Zlín ausgestellt. Seine Nachfolger emigrierten vor den Nazis in die USA, die Firma wurde enteignet. Doch die Marke existiert weiter – und produziert heute täglich weltweit eine Million Schuhe.
Roberta de Righi
Di – So, 10 bis 18, Do bis 20 Uhr