Die Leiden der Beth G.

Fast schon hätte man das Genre TripHop für tot erklären wollen. Nach elf Jahren des Wartens legen Portishead nun jedoch ihr drittes Studioalbum vor. Auf «Third» vereint das Trio aus Bristol neue Beats mit alter Seele, meint Julia Wilczok.
von  Abendzeitung

Fast schon hätte man das Genre TripHop für tot erklären wollen. Nach elf Jahren des Wartens legen Portishead nun jedoch ihr drittes Studioalbum vor. Auf «Third» vereint das Trio aus Bristol neue Beats mit alter Seele, meint Julia Wilczok.

Nach mehr als einer Dekade des Reifungsprozesses haben Portishead es nun endlich fertiggestellt, ihr drittes Studioalbum «Third». Nach den Vorgängern «Dummy» und schlicht «Portishead» kommt «Third» ein bisschen wie ein guter alter Käse daher - am Anfang streng und gewöhnungsbedürftig, kann man schon wenig später nicht mehr die Finger (oder in diesem Fall die Ohren) davon lassen. So war es bereits mit dem Erstlingswerk «Dummy», der das Brit-Trio aus dem gleichnamigen Vorort von Bristol Anfang der neunziger Jahre weltberühmt machte. Mit «Third» verhelfen Portishead sich selbst und dem Genre TripHop zum Comeback. Bereits die ersten Akkorde des Eröffnungstracks «Silence» stimmen auf das ein, was das gesamte Album bietet - neue Beats mit alter Seele.

Eine feine Vorstellung der neuen Platte ist dem «großen P», wie die Drei aus Bristol gerne in der Presse genannt werden, bereits vorab mit der ersten Singleauskopplung «Machine Gun» gelungen. Kann ein Song gleichzeitig minimalistisch und episch klingen? «Machine Gun» kann das. Während Beth Gibbons klagende Stimme von Verlust, Erlösung und ihrem «vergifteten Herzen» singt, entlockt Soundmaster Geoff Barrow der Drum-Maschine metallische Sounds, die entfernt - Nomen est omen - wie der Kugelhagel aus der Mündung eines Maschinengewehrs klingen.

Kein Lachen ohne ein Lächeln

«Third» kann nicht nur problemlos mit dem Niveau der Vorgängeralben «Dummy» und «Portishead» mithalten, es hat sogar gute Chancen, das Erst- und Zweitlingswerk mit seiner rauen Schönheit zu überstrahlen. Die drei Bandmitglieder präsentieren sich experimentell und unangepasst wie eh und je, wenn auch gewisse Krautrock-Einflüsse nicht abzustreiten sind. Dissonante Beats und kratzige Störgeräusche holpern ungelenk vor sich hin, um sich schließlich in sphärische Klangteppiche einzufügen. Mit spröden Sounds, die irgendwie nicht von dieser Welt zu sein scheinen, geben Portishead der Düsternis wieder einmal einen neuen Namen.

Dazu trägt vor allem Fabelwesen Gibbons gespenstisch-schöne Stimme bei, in der sich unterstützt von morbiden Texten, wieder einmal der Schmerz der ganzen weiten Welt zu vereinen scheint. Ein lyrischer Lichtstrahl hier und da säht Hoffnung, die kurz darauf wieder zerschlagen wird. Wie in «Nylon Smile», in dem Gibbons mit gepeinigter Stimme singt: «I'd like to laugh at what you said but I just can't find a smile.» Wer Portishead schon mal live gesehen hat, weiß, wovon hier die Rede ist. Wenn dieses fragile Persönchen sich mit hochgezogenen Schultern über ihr Mikrofon krümmt, steht die Welt für einige Minuten still. Denn so scheu und verschlossen Gibbons sich in der Realität auch gibt, bei der Performance scheint sie ihr Innerstes nach Außen zu kehren. Und während sich unter den Vibrationen ihrer Geister-Stimme jedes noch so feine Armhärchen aufstellt, meint man für einen Moment Traurigkeit in all ihren Facetten spüren zu können. Portishead: «Third» (Universal) Portishead - «Machine Gun»:

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