Die Last der Neuen: Die Tatort-Nachfolger im AZ-Vergleich
Hat irgendjemand noch Marotten übrig? Für die neue Generation der Tatort-Ermittler wird es immer schwieriger, unverwechselbar zu sein. Die jüngsten Kriminalisten-Pärchen im AZ-Vergleich
Leipzig: Zwei Darsteller, zwei Ligen
Dass sie auch harte Männer in die Wüste schickt, hat Simone Thomalla im Privatleben bewiesen. In ihrer Rolle als Leipziger Hauptkommissarin Eva Saalfeld ermittelt sie mit Ex-Mann Andreas Keppler (Martin Wuttke) und lässt keine Frage aufkommen, wer mit gezückter Knarre zuerst vorangeht. Pech nur, dass die Darsteller in zwei verschiedenen Ligen spielen. Wuttke ist der beste deutsche Theaterschauspieler seiner Generation, Thomalla brilliert mit der mimischen Variationskraft einer Stockente. Egal, mit ähnlichen Mitteln hat Angelina Jolie als Lara Croft eine Weltkarriere begonnen. Thomalla ist zwar zu alt, um für die Internetgeneration noch eine Action-Ikone zu werden, doch zur neuen "Tatort"-Kultfigur reicht es auf jeden Fall. Martin Wuttke spürt den Fluch als Schattenmann und beglückt die Zuschauer im aktuellen Fall ("Mauerblümchen", Sonntag, 20.15 Uhr) mit einem Clark-Gable-Bärtchen.
Saarbrücken: Blasser Bayer mit Tuba
Franz Kappl ist ein Exil-Bayer, ein Mann und seine Tuba kämpfen in Saarbrücken gegen das Unrecht. Als Nachfolger des radfahrenden Max Palu schickte der SR einen ehrgeizigen Jungspunt. Nachwuchsstar Maximilian Brückner müht sich, doch die Rolle seines Franz Kappl bleibt bislang blass, selbst die Affäre mit der Gerichtsmedizinerin wurde nur vage angedeutet und ließ kaum die menschlichen Züge des Kappl erkennen. Der Mann funktioniert einfach, hat noch keine Kanten. Da hat Gregor Weber als sein glatzköpfiger Kollege Deininger mehr Persönlichkeit: Er sieht nicht gut aus, fühlt sich oft als der Zweite, ist tief verwachsen im Saarland und etwas langsam in der Gangart. Die Macher scheinen das auch gemerkt zu haben und jetzt bekommt Kappl eine Zugabe: Sein Vater aus Bayern, der bisher nur am Telefon war, wird in "Bittere Trauben" (26. April) kommen, Konstantin Wecker als der alte Kappl klingt vielversprechend.
Hamburg: Beinharter Undercover-Cop
Kreativität beweist der NDR mit seinem neuen Hamburger Kommissar. Der türkisch-stämmige Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) ermittelt als Nachfolger Robert Atzorns nicht nur fast komplett auf sich alleine gestellt, sondern auch noch undercover. Einziger Kontaktmann ist sein Vorgesetzter Uwe Konau (Peter Jordan). Privatleben hat Batu keins, dafür gibt’s jede Menge Action, auch in seinem zweiten Fall "Häuserkampf" (13. April) darf der beinharte Cop wieder seinen durchtrainierten Körper voll einsetzten. Ein Waffenschmuggler schneidet ihm beinahe die Kehle durch, ein Jugendlicher schlägt ihn bewusstlos und als getarnter Ermittler droht er jeden Moment aufzufliegen.
Stuttgart: Schweigsamer Grübler
Richy Müller spielt seinen Hauptkommissar Lannert so schweigsam vergrübelt wie Götz George seinen Schimanski in dessen schlimmer Spätphase. Immerhin, der dritte Auftritt des Neu-Stuttgarters an der Seite von Kollege Bootz (Felix Klare) brachte familiäre Klarheit: Lannert verlor vor Jahren Frau und Kind – daher rührt auch die schon ausgereizte Totalverklemmung bei der liebeshungrigen, attraktiven Nachbarin. Ein wenig menschlicher sollte Lannert in Zukunft rüberkommen, sonst wächst die schwäbische Sehnsucht nach dessen bräsigem Vorgänger Ernst Bienzle. Und der sollte durch das junge Action-Duo eigentlich längst vergessen sein.
vi, ta, aka