Die Kunst aus der Krise
Nicht nur Dieter Wedel entdeckt im TV-Zweiteiler „Gier“ das Thema Wirtschaftskrise für seine Kunst, auch in den neuen Romanen von Martin Suter und Kristof Magnusson geht es ums Geld
Der Roman zur Wendezeit wurde regelrecht von der Literaturkritik eingefordert. Es hat aber eineinhalb Jahrzehnte gedauert, bis mit Uwe Tellkamps „Der Turm“ auch das Buch entstand, das – vielleicht – in ein paar Jahrzehnten noch stellvertretend für diese Zeit gelesen wird.
Die globale Geldvernichtung hat schnellere Reflexe in der Kunstwelt erzeugt. Martin Suter beschreibt in seinem diese Woche erscheinenden Roman „Der Koch“ (Diogenes, 272 S., 21.90 Euro) den Zusammenhang von Geld, Macht, Essen und Sex auf seine ganz spezielle Art. Dieter Wedel schickt Ulrich Tukur als Hochstapler und windigen Finanzjongleur ins Rennen (arte, Freitag, 20.15 Uhr), getrieben von der „Gier“ der Reichen und ökonomisch Unersättlichen.
Der sympathischste Versuch, sich dem Thema zu nähern, gelingt dabei Kristof Magnusson. Der 1976 in Hamburg geborene Autor begegnet in seinem Roman „Das war ich nicht“ (Kunstmann, 286 Seiten) der Finanzwelt mittels einer Groteske, der einzig adäquaten Art, über Nacht entstandene Milliardenlöcher und frei um den Globus ziehende Geldströme zu verarbeiten.
So unterhaltsam woe hanebüchen
Der dramaturgisch versierte Autor verteilt sein komisches Werk auf drei Schultern: Den Finanzyuppie Jasper Lüdemann, frisch aufgestiegen in einer Chicagoer Investmentbank; den leergeschriebenen US-Autor und Pulitzer-Preisträger Henry LaMarck und dessen ihm unbekannte deutsche Übersetzerin, die frisch getrennte und neu verschuldete Meike Urbanski. Kapitelweise wechselnd führt Magnusson seine erfrischend unterhaltsame und hanebüchene Geschichte aus der Innensicht der Protagonisten voran.
LaMarck flieht von einer Geburtstagsparty, weil er die Lüge, einen neuen Roman fast beendet zu haben, nicht länger ertragen kann. Jasper hat sich währenddessen aus vollkommen harmlosem Anlass in ein virtuelles Finanzpokerspiel mit realen Beträgen eingelassen. Seine angehäuften Verluste erfordern immer höheren Einsatz, um wieder ein Gleichgewicht herzustellen – und allmählich kommt ihm die Firma auf die Schliche.
Risikolose Investition
Wie in einer Screwball-Komödie führt Magnusson die drei in Chicago zusammen und aneinander vorbei. Doch da hat er seine Leser längst so fest am Kragen gepackt, dass man gebannt und neugierig der Auflösung des Plots entgegenfiebert.
Souverän wechselt Magnusson die Tonlage von Spannung bis zu Slapstick, ohne seine Figuren zu Abziehbildern umzugestalten. Im Gegenteil – man leidet mit ihnen in persönlichen Katastrophen: „Jenseits der dreißig entscheidet sich, ob der Mensch, der man geworden ist, für die restlichen fünfzig Jahre taugt“, sagt sich Meike. Jasper hingegen ist anfangs noch einem anderen Lebensentwurf verhaftet: „Gab bestimmt auch eine Zeit für das Privatleben. Frau. Kind. Später. Ich war erst 31. Zwischen 30 und 40 muss man brennen.“
Die 19.90 Euro für diesen Roman sind jedenfalls eine risikolose Investition.
Volker Isfort
Kristof Magnusson stellt sein Buch am 21. Januar im Rahmen der Lesung „Zuagroast“ um 20 Uhr im Volkstheater vor